Leitsatz (amtlich)
Die gegenüber Ärzten verwandte werbliche Angabe für ein Clopdiogrel-haltiges Generikum "Original und Alternative: Die Salzform spielt keine Rolle!" ist irreführend, wenn es am wissenschaftlichen Nachweis der damit behaupteten Irrelevanz des Salzes für die klinische Wirksamkeit fehlt. Der nach § 24b Abs. 2 AMG für die Zulassung erforderliche Bioäquivalenznachweis ist hierfür kein hinreichender Beleg.
Normenkette
AMG § 24b Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 15.10.2009; Aktenzeichen 315 O 364/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 15.10.2009 (Geschäfts-Nr. 315 O 364/09) wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen die einstweilige Verfügung vom 14.8.2009 hinsichtlich der Ziff. I.1. c) aufgehoben und insoweit der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt: Die Kosten des Erlassverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Widerspruchs- und Berufungsverfahrens haben die Antragstellerin 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3 zu tragen.
Gründe
I. Die Antragstellerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, beanstandet im Eilverfahren werbliche Angaben der Antragsgegnerin, die ebenfalls Arzneimittel herstellt und vertreibt.
Die Parteien vertreiben Thrombozytenaggregationshemmer. Die Antragstellerin vertreibt das Produkt "P. 75 mg Filmtabletten" mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Clopidogrelhydrogensulfat (Fachinformation Anlage K 2). Die Antragsgegnerin vertreibt das Produkt "Clopidogrel r. 75 mg Filmtabletten" mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Clopidogrelbesilat (Fachinformation Anlage K 3). Die zugelassenen Anwendungsgebiete beider Arzneimittel lauten - hinsichtlich des Produkts der Antragsgegnerin aufgrund erweiterter Zulassung vom 29.7.2009 - identisch wie folgt (s. jeweilige Fachinformation unter Ziff. 4.1):
"Clopidogrel ist bei Erwachsenen indiziert zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei:
- Patienten mit Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend), mit ischämischem Schlaganfall (7 Tage bis 6 Monate zurückliegend) oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit.
- Patienten mit akutem Koronarsyndrom:
- akutes Koronarsyndrom ohne ST-Strecken-Hebung (instabile Angina Pectoris oder Non-Q-Wave Myokardinfarkt), einschließlich Patienten, denen bei einer perkutanen Koronarintervention ein Stent implantiert wurde, in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS).
- Myokardinfarkt mit ST-Strecken-Hebung in Kombination mit ASS bei medizinisch behandelten Patienten, für die eine thrombolytische Therapie in Frage kommt."
Zuvor war das Produkt der Antragsgegnerin lediglich für die erste der vorstehend genannten Indikationen zugelassen gewesen. Anlässlich der Zulassungserweiterung hat die Antragsgegnerin für ihr Produkt gegenüber Ärzten mit einem zweiseitigen Abgabefolder (Anlage K 1) geworben, welcher die von der Antragstellerin beanstandeten Angaben enthält.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Werbung der Antragsgegnerin verstoße gegen die §§ 3, 3a 4 Abs. 1, 10 HWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 6, 8 UWG und hierzu (soweit in der Berufung noch relevant) wie folgt vorbereitet:
Antrag zu I.1. a) ("Original und Alternative: Die Salzform spielt keine Rolle!"): Die Aussage suggeriere den angesprochenen Ärzten, dass die Salzform bei der Gabe von Clopidogrelhaltigen Präparaten bedeutungslos sei. Diese Angabe sei irreführend, weil sie nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspreche; sie sei auch nicht durch die im zweiten Satz genannte Bioverfügbarkeitsstudie belegt. Zur Wirksamkeit der vorliegend betroffenen Salzformen Hydrogensulfat und Besilat bestünden mangels vergleichender klinischer Studien keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Antrag zu I.1. b) ("Somit spielt die Salzform von Clopidogrel bezüglich der Pharmakodynamik und Wirksamkeit keine Rolle. Die durchgeführte Bioverfügbarkeitsstudie zeigt dies eindrücklich."): Der von der Antragsgegnerin im zweiten Satz dargestellte Rückschluss aus einer Bioverfügbarkeitsstudie auf die Pharmakodynamik, welcher in den Worten "... zeigt dies eindrücklich" zum Ausdruck gebracht werde, sei irreführend, weil sich aus einer solchen Studie keine Rückschlüsse auf die Pharmakodynamik und Wirksamkeit eines Arzneimittels folgern ließen. Die Aussage sei im ersten Satz irreführend, weil - wie zum Antrag zu 1. a) ausgeführt - sie nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspreche.
Antrag zu I.1. c) ("Clopidogrel r.® 75 mg Filmtabletten ist dokumentiert bioäquivalent* zu P.®."): Die Angabe verstünden die angesprochenen Ärzte dahingehend, dass auf eine wissenschaftliche Veröffentlichung Bezug genommen werde, deren Fundstelle bei dem Sternchenhinweis angegeben werde. Ein relevanter Teil der Ärzteschaft erwarte ferner, dass diese Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift erfolgt sei und dass die Daten zur behaupteten Bioäquivalenz einer Überprüfung zugänglich seien; in Wahrhe...