Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung von Äußerungen, die personenbezogene Daten enthalten und die über ein Internetforum abrufbar sind, kann dem Betroffenen gegen den Betreiber des Internetforums aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und § 4 Abs. 1 BDSG als Schutzgesetz zustehen. Der Betreiber des Internetforums ist eine für die Übermittlung der Daten verantwortliche Stelle, wenn das Betreiben des Internetforums im eigenen unternehmerischen Interesse des Betreibers erfolgt.
Der Betreiber des Internetforums kann dem Anspruch entgegenhalten, dass der Verfasser des Forenbeitrags in Wahrnehmung berechtigter Interessen i.S.v. § 28 Abs. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BDSG gehandelt hat, wenn der Verfasser die Daten des Betroffenen für die Erörterung eines Themas von öffentlichem Interesse genutzt hat und der Mitteilung dieser Daten keine berechtigten Interessen des Betroffenen entgegenstehen.
Das BDSG ist auch dann anwendbar, wenn die Forenbeiträge zwar ausschließlich auf Servern gespeichert sind, die sich außerhalb der EU befinden, sie aber in der Bundesrepublik Deutschland abgerufen werden können und sollen.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 15.10.2010; Aktenzeichen 325 O 18/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg vom 15.10.2010 - 325 O 18/10, wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg vom 15.10.2010 - 325 O 18/10, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, bestimmte, seine Person betreffende Angaben im Internet zu veröffentlichen. Die Beklagte betreibt über ihren Internetauftritt u.a. ein Internetforum. In dieses war ein Beitrag eingestellt, der sich kritisch mit dem Vertrieb von Mitteln zum Abnehmen und der Verbreitung von Diätkonzepten befasste. Der Kläger war Geschäftsführer von Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind. Der Sitz einiger dieser Unternehmen lag in Irland. In dem beanstandeten Beitrag wurden der frühere Familienname des Klägers, sein Geburtsdatum und seine frühere Wohnanschrift angegeben. Diese Angaben hatte der Verfasser des Beitrags einem Handelsregister in Irland entnommen, in das sie der Kläger als Geschäftsführer der Unternehmen nach irischem Recht hatte eintragen lassen müssen. Dem Ersuchen des Klägers, die weitere Verbreitung des Beitrags zu unterlassen, ist die Beklagte nicht nachgekommen.
Das LG hat der Beklagten mit dem angefochtenen Urteil untersagt, über die Internetadresse http://...com das Geburtsdatum des Klägers oder seine private Wohnanschrift einschließlich seiner früheren Wohnanschrift selbst oder durch Dritte zu veröffentlichen oder zu verbreiten, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richten sich die Rechtsmittel beider Seiten.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Hamburg vom 15.10.2010 (Az.: 325 O 18/10) aufzuheben, soweit es den Kläger beschwert, und es der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu verbieten, über die URL http://...com selbst oder durch Dritte zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten: den Namen des Klägers, einschließlich seines Geburtsnamens.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, unter Abänderung des Urteils des LG Hamburg zum Aktenzeichen 325 O 18/10 vom 15.10.2010 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung, die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
II. Die Berufungen beider Seiten sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet, die Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch darauf zu, es zu unterlassen, über ihr Internetforum den Namen des Klägers, seine Adresse sowie sein Geburtsdatum zu verbreiten. Ein solcher Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog weder i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) als sonstigem Recht noch i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und § 4 BDSG als Schutzgesetz.
Hinsichtlich des aktuellen Namens des Klägers und hinsichtlich seiner aktuellen Adresse fehlt es bereits am Vorliegen einer potentiellen Rechtsverletzung, die nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) eine den Unterlassungsanspruch begründende Wiederholungsgefahr hätte auslösen können; denn diese Angaben sind in der beanstandeten Veröffentlichung nicht enthalten und von der Beklagt...