Leitsatz (amtlich)
1. Stellt das zunächst allein in Anspruch genommene Unternehmen einen Wettbewerbsverstoß nicht ab, so ist die nachfolgende Inanspruchnahme des Geschäftsführers wegen desselben Verstoßes selbst dann nicht notwendigerweise rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG, wenn ein gleichzeitiges Vorgehen gegen beide möglich war.
2. Eine zeitgleiche Abmahnung von zwei konzernverbundenen Unternehmen wegen desselben Wettbewerbsverstoßes durch ein- und denselben Rechtsanwalt stellt dann keine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG dar, wenn beide Unternehmen in der beanstandeten Werbung unter namentlicher Nennung angegriffen worden sind und der zwischen ihnen bestehende Konzernverbund für die angesprochenen Verkehrskreise nicht ohne weiteres erkennbar ist.
3. abhängig von der Frage, ob Art. 5 GG das Aufstellen einer wettbewerbswidrigen Abwehrbehauptung in einer wettbewerblichen „Angriffslage” im Einzelfall rechtfertigen kann, steht dem Verletzer jedenfalls kein Recht zur Seite, eine solche Behauptung im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs auch für die Zukunft als rechtmäßig zu verteidigen.
Normenkette
UWG §§ 1, 13 Abs. 5; GG Art. 5
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 406 O 25/02) |
Tenor
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 200.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber im Handel mit Elektroartikeln. Die Antragsgegnerin wickelt ihr Geschäft über das Internet ab.
Am 3.12.2001 war auf einer Internet-Seite dieses Unternehmens folgende Pressemeldung veröffentlicht:
„Mit einer Flut von Abmahnungen versuchen die Branchenriesen Media und Saturn-Hansa den Internet-Shop e. aus dem Geschäft zu drängen. Hintergrund sind ganz offensichtlich die sehr günstigen Preise, die der Aschaffenburger Internet-Shop seinen Kunden anbietet. Da sich die Abmahnungen auf alle 150 Media-Märkte und 50 Saturn Läden beziehen und in jedem Fall ein Streitwert von 20.000 Mark angegeben wird, würde allein die fälligen Anwaltskosten das äußerst erfolgreiche Jungunternehmen vor finanzielle Probleme stellen.
[…]
L.K. sieht in dem Vorgehen von Media-Markt und Saturn ganz eindeutig den Versuch ‚uns aus dem Geschäft zu drängen, weil deren Niedrigpreis-Kampagnen ganz offensichtlich nicht den erwarteten Erfolg hatten’
[…]”.
Diese Darstellung beanstanden die Antragstellerinnen als wettbewerbswidrig.
Das LG Hamburg hat mit Urteil vom 8.3.2002 seine einstweilige Verfügung vom 7.1.2002 bestätigt, mit der es der Antragsgegnerin bei Androhung der üblichen Ordnungsmittel verboten hatte, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf ihrer Homepage unter der Internet-Adresse „E.de” und/oder in anderer Weise folgende Behauptungen zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:
a) Mit einer Flut von Abmahnungen versuchen die Branchenriesen Media und Saturn-Hansa den Internet-Shop e. aus dem Geschäft zu drängen. Hintergrund sind ganz offensichtlich die sehr günstigen Preise, die der Aschaffenburger Internet-Shop seinen Kunden anbiete;
und/oder
b) L.K. sieht in dem Vorgehen von Media-Markt und Saturn ganz eindeutig den Versuch „uns aus dem Geschäft zu drängen, weil deren Niedrigpreis-Kampagnen ganz offensichtlich nicht den erwarteten Erfolg hatten.”
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragsgegnerin, die die Rechtsverfolgung im vorliegenden Rechtsstreit insbesondere als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG ansieht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anl. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist unbegründet. Den Antragstellerinnen steht der geltend gemachte Verbotsanspruch zu.
I. Die Verfügungsanträge sind zulässig. Insbesondere sind die Antragstellerinnen nicht wegen Rechtsmissbrauchs i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG gehindert, ihre Unterlassungsansprüche geltend zu machen.
1. Die Verfolgung des geltend gemachten Anspruchs in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten (gegenüber unterschiedlichen Prozessgegnern) stellt sich nicht als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG dar.
a) Allerdings hatte es der BGH in der grundlegenden Entscheidung „Missbräuchliche Mehrfachverfolgung” (BGH GRUR 2000, 1089 ff. – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung) als ein gewichtiges Indiz für rechtsmissbräuchliche Absichten angesehen, wenn – wie hier – konzernverbundene Unternehmen, die durch einen Anwalt vertreten werden, nicht gemeinsam klagen, obwohl eine subjektive Klaghäufung – hier auf der Passivseite – mit keinerlei Nachteilen verbunden gewesen wäre. Hierbei hatte der BGH eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls für geboten gehalten und maßgebend darauf abgestellt, ob sich für das getrennte Vorgehen eine vernünftige Erklärung finden lasse oder dieses als ungewöhnlich rücksichtslos erscheine.
b) Im vorliegenden Fall sieht der Senat keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme e...