Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezugnahme auf wissenschaftliche Studie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird in der Werbung für ein biotechnologisch hergestelltes Generikum (Biosimilar) im Zusammenhang mit der Aussage, dass das beworbene Arzneimittel eine vergleichbare Wirksamkeit habe wie das Referenzprodukt, in einem Fußnotenvermerk auf eine wissenschaftliche Studie Bezug genommen wird, erwartet der Fachverkehr, dass es sich hierbei um eine klinische Wirksamkeitsstudie handelt.

2. Da die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Zulassung von Biosimilars im Bedarfsfall auch die Durchführung klinischer Studien vorsehen, hat der angesprochene Verkehr auch keinen Anlass anzunehmen, die in der Werbung in Bezug genommene Studie sei nicht als klinische Wirksamkeitsstudie, sondern - wie im Streitfall - als klinisch-pharmakologische Studie mit gesunden Probanden angelegt.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nrn. 5, 8, 11

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 29.11.2012; Aktenzeichen 327 O 459/12)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 27, vom 29.11.2012 (327 O 459/12) wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen irreführender Arzneimittelwerbung für das Präparat Filgrastim H. auf Unterlassung in Anspruch.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Medikamenten. Die Antragstellerin vertreibt das Produkt N. mit dem Wirkstoff Filgrastim; hierbei handelt es sich um ein Medikament, welches gegen einen Mangel an weißen Blutkörperchen (Neutropenie) wirken soll. Eine Neutropenie tritt häufig als Nebenwirkung einer Chemotherapie auf (sog. Chemotherapie-induzierte Neutropenie).

Die Antragsgegnerin vertreibt das Produkt Filgrastim H., ein sog. Biosimilar des Referenzarzneimittels N.. Bei einem Biosimilar handelt es sich um ein Generikum eines nicht mehr patentgeschützten, nicht durch chemische Synthese, sondern biotechnologisch hergestellten rekombinanten Originalarzneimittels. Anders als im Falle chemisch produzierter Generika ist die Erstellung einer chemisch identischen Kopie eines rekombinanten Arzneimittels hier nicht möglich, weil es sich hierbei um hochkomplexe dreidimensionale Proteine handelt, die aus biologischem Material isoliert oder gentechnisch mit Hilfe von lebenden Zellen produziert werden.

In dem als Anlage Ast 8 eingereichten "Europäischen Öffentlichen Beurteilungsbericht (EPAR)" der European Medicines Agency (EMA) heißt es, dass der Antragsgegnerin am 6.2.2009 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Filgrastim H. in der Europäischen Union erteilt worden sei. In dem Bericht wird zu der Frage "Wie wurde Filgrastim H." untersucht?" ausgeführt:

"Die Studien mit Filgrastim H. dienten der Erbringung des Nachweises, dass es mit dem Referenzarzneimittel N. vergleichbar ist. In vier Studien wurden bei insgesamt 146 gesunden Freiwilligen, die Filgrastim H. oder N. erhielten, die Konzentrationen von Neutrophilen im Blut untersucht. Die Studien untersuchten die Wirkungen der einmaligen und wiederholten Verabreichung verschiedener Dosen der Arzneimittel, entweder unter die Haut injiziert oder als Infusion in eine Vene verabreicht. Der Hauptindikator war bei diesen Studien die Neutrophilenzahl im Verlauf der ersten zehn Tage der Behandlung."

Weiter heißt es in dem Bericht zu der Frage: "Warum wurde Filgrastim H. zugelassen?"

"Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) gelangte zu dem Schluss, dass für Filgrastim H. gemäß den Anforderungen der Europäischen Union der Nachweis erbracht wurde, dass das Arzneimittel ein mit N. vergleichbares Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil aufweist. Der CHMP war daher der Ansicht, dass wie bei N. die Vorteile gegenüber den festgestellten Risiken überwiegen und empfahl, die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Filgrastim H. zu erteilen."

In der als Anlage AST 7 eingereichten Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft heißt es unter "Klinische Studien" zu Filgrastim H. und Z., einem anderen Biosimilar:

"Eine klinische Wirksamkeitsstudie im Vergleich zu dem Referenzarzneimittel wurde im Zulassungsverfahren nicht gefordert. Es liegen klinisch-pharmakologische Studien an gesunden Probanden mit Beleg der pharmakokinetischen (Bio)äquivalenz (2 Studien) und weitere 2 Studien zum Beleg der pharmakodynamischen Äquivalenz vor. Filgrastim H. und Z. führten bei gesunden Probanden zu vergleichbaren Anstiegen der Neutrophilenzahl im Blut wie N.. Die Sicherheit der Anwendung bei Patienten wurde bei 170 Brustkrebspatientinnen, von denen 154 vier Chemotherapiezyklen erhielten, gezeigt."

Die Antragsgegnerin warb für Filgrastim H. mit dem in Kopie als Anlage Ast 3 eingereichten Folder, in welchem es auf S. 2 u.a. heißt:

"Filgrastim H.®: vergleichbar in Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit dem Referenzprodukt".

Hinter dem Wort "Referenzprodukt" verweist die hochgestellte Zahl 4 auf eine auf der letzten Seite des Folders unter dem P...

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