Kein Anlass zum Green Hushing! Wie Unternehmen glaubwürdig mit Nachhaltigkeit werben können
Laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2023 sind über 50 Prozent der Umweltaussagen in der EU als vage, irreführend oder unfundiert einzustufen. Auch die Konsument:innen sind angesichts von soviel Nachhaltigkeit in der Werbung zunehmend verwirrt. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie des Nachhaltigkeitsportals Utopia, die im April veröffentlicht wurde. Demnach zeigen sich zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland misstrauisch, weil gerade so viele Unternehmen mit Umwelt- und Klimaschutzthemen werben. Sie verlieren den Überblick und wissen nicht, welchen grünen Werbeversprechen („Green Claims“) sie vertrauen können. Trotzdem entscheiden sich 55 Prozent der Bevölkerung eher für Produkte mit umweltbezogenen Werbeaussagen als für vergleichbare Produkte ohne Green Claims, wenn sie die Wahl haben. Ein Widerspruch? Keineswegs.
Bei der Frage, wie hilfreich „Green Claims“ für Kaufentscheidungen sind, zeigt sich die Bevölkerung in Deutschland gespalten: 51 Prozent sagen, dass die Aussagen ihnen bei Kaufentscheidungen helfen. 42 Prozent sehen das nicht so. Je nachhaltigkeitsorientierter Verbraucher:innen sind, desto größer ist ihre Aufmerksamkeit und Wertschätzung für umweltbezogene Aussagen. Umso größer ist aber auch ihre Skepsis, inwieweit man grünen Werbeversprechen vertrauen kann. Es besteht also Handlungsbedarf.
Glaubwürdig werben mit Green Claims
Mit der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (kurz: EmpCo Directive) und der Green Claims Directive will die EU gegen Greenwashing vorgehen und EU-weite Standards für den Einsatz umweltbezogener Aussagen schaffen. Damit will sie erreichen, dass grüne Werbeversprechen künftig halten, was sie versprechen. Irreführung soll unterbunden und Verbraucher:innen in die Lage versetzt werden, aufgeklärte und bewusste Kaufentscheidungen treffen zu können.
Die Richtlinien werden erst 2026 und 2027 rechtswirksam werden. Doch kein Grund, sich zurückzulehnen. Denn schon heute ist Greenwashing unzulässig. Unternehmen und Marken können wegen falscher, irreführender oder unzureichender Informationen auf das Basis des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) abgemahnt werden.
Was also tun? Glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation lebt von fundierter und nachweisbarer Nachhaltigkeitsleistung. Wer sich als nachhaltige Marke positionieren und das Vertrauen der Konsumenten gewinnen will, der braucht ein ambitioniertes Nachhaltigkeitsprogramm. Dies gilt seit jeher.
Mit der Green Claims Regulatorik der EU kommen nun weitere Anforderungen an die Kommunikation von Nachhaltigkeit hinzu. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre grünen Werbeversprechen korrekt, nachvollziehbar und hinreichend substantiiert sind und dass Belege korrekt kommuniziert werden.
In drei Schritten zur regelkonformen Kommunikation
Wie das konkret funktionieren kann, zeigen nützliche Tools wie der Green Claims Check von House of Change und The Goodwins oder das Whitepaper Green Claims von SAIM – Consulting by Utopia. Die Überprüfung der Green Claims erfolgt in drei Schritten entlang von acht Kernkriterien der EU-Richtlinien.
Schritt 1: Korrektheit des Green Claims
1. Der Green Claim muss wahr und nicht irreführend sein. Das bedeutet, dass die Aussage keine falschen, unwahren, übertriebenen oder nicht belegbaren Umweltversprechen beinhalten darf.
2. Die Umweltaussage muss spezifisch sein. Der beworbene Umweltvorteil muss klar definiert und konkret sein. Allgemeine Aussagen wie „umweltfreundlich“ oder „ressourcenschonend“ sind künftig nicht mehr zulässig.
3. Der Green Claim muss den gesamten Produktlebenszyklus beachten. Die beworbene Umweltauswirkung muss über den gesamten Lebenszyklus des Produkts hinweg erheblich und relevant sein.
Schritt 2: Belegbarkeit der beworbenen Umweltvorteile
4. Eigene Umweltvorteile müssen – evidenzbasiert – belegt werden. Für die beworbene Umweltwirkung des eigenen Produktes müssen spezifische, relevante Daten vorliegen, die nach anerkannten wissenschaftlichen Standards erhoben wurden und einer externen Überprüfung standhalten.
5. Vergleichende Umweltaussagen müssen wissenschaftlich belegt werden. Bei vergleichenden Aussagen mit dem Marktdurchschnitt müssen belastbare Marktdaten oder unabhängige wissenschaftliche Studien als Proof Points herausgezogen werden.
Schritt 3: Nachvollziehbarkeit der Kommunikation
6. Der Green Claim muss produktnah kommuniziert werden. Wenn ein Produkt mit einem Green Claim auf der Packung arbeitet, müssen Konsument:innen relevante Begleitinformationen auf der Verpackung finden – physisch, als Link oder QR-Code. Das Gleiche gilt für andere Werbekanäle wie Out-of-Home, Social Media oder Websites.
7. Der Green Claim muss einfach und verständlich sein. Auch wenn Nachhaltigkeit ein komplexes Thema ist, müssen die Botschaften leicht verständlich sein. Die Verbraucher:innen müssen verstehen können, was sie kaufen. Erklärungswürdige Fachbegriffe sind nicht zulässig.
8. Zusatzinformationen des Green Claims sind leicht erreichbar. Auf dem Produkt oder im Kampagnen-Setting ist in der Regel nicht viel Platz. Weiterführende Informationen zur Erklärung müssen leicht erreichbar sein und im Idealfall auf einer Landingpage gebündelt verfügbar sein. Merksatz: „Ein Blick, ein Klick“.
Können alle Fragen positiv beantwortet werden, steht einer erfolgreichen Kommunikation nichts mehr im Wege. Wer als Unternehmen seine Green Claims regularikkonform formuliert, bietet nicht nur Konsument:innen hilfreiche Orientierung bei Kaufentscheidungen, sondern hat damit auch die Chance, sich im Wettbewerb der Nachhaltigkeitsbotschaften glaubwürdig zu positionieren und Reputation aufzubauen.
Über die Utopia-Studie
Die Utopia-Studie 2024 mit dem Titel „Alles bleibt anders. Nachhaltiger Konsum in Krisenzeiten“, wurde im August / September 2023 erhoben und im April 2024 veröffentlicht. Die aktuelle Utopia-Studie stützt sich auf eine repräsentative Erhebung in der Gesamtbevölkerung ab 18 Jahren und eine umfangreiche Online-Befragung von 8.724 Nutzern von Utopia.
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