Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antragsteller im wettbewerbsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren setzt sich nicht deshalb dem Vorwurf der verbotenen Salami.-Taktik, d.h. des Rechtsmissbrauchs aus, weil er in getrennten Verfahren gegen zwei (irreführende) Aussagen desselben Werbemittels vorgeht. Er darf gegen diese Angaben auch nacheinander vorgehen, wenn dafür ein nachvollziehbarer Grund besteht. Ein solcher Grund liegt vor, wenn das erste Vorgehen, anders als das zweite Vorgehen, keiner weiteren tatsächlichen Ermittlungen bedarf

2. Im Hinblick auf denjenigen Unterlassungsantrag, der keiner weiteren Ermittlungen mehr bedarf, ist das mehrwöchige Warten auf die Fertigstellung des Umfragegutachtens, welches lediglich im Hinblick auf die weitere Werbeangabe eingeholt wird, dringlichkeitsschädlich.

3. Zu den methodischen Anforderungen an ein Umfragegutachten.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11, §§ 5, 12 Abs. 2; HWG § 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 28.07.2008; Aktenzeichen 407 O 121/08)

 

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des LG Hamburg vom 28.7.2008 - 407 O 121/08, wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung fallen der Antragstellerin zur Last.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Heilmittelwerberecht auf Unterlassung in Anspruch.

Beide Parteien vertreiben Impfstoffe, welche u.a. Schutz vor Infektionen mit bestimmten Humanen Papillomviren (HPV) bewirken, und damit Gebärmutterhalskrebs verhindern sollen. Die Antragstellerin vertreibt seit dem Herbst 2006 den Impfstoff Gardasil®, welcher vor Infektionen mit den HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 schützt (Anlage EV 1). Die Antragsgegnerin vertreibt seit dem Herbst 2007 den Impfstoff Cervarix®, welcher vor den HPV-Typen 16 und 18 schützen soll (Anlage EV 2). Weitere Impfstoffe werden am Markt nicht angeboten.

Die Antragstellerin moniert zwei Aussagen, die auf den Seiten 5 und 9 (=Anlagen 1 und 2 zum Verfügungsantrag vom 30.6.2008) eines von der Antragsgegnerin für den Impfstoff Cervarix® verwendeten Werbefolders (Anlagen EV 3, Sch 1 und BF AG 6) enthalten sind. Dieser Werbefolder lag der Antragstellerin spätestens am 30.4.2008 vor.

Auf S. 5 des Werbefolders heißt es unter Beifügung zweier Grafiken u.a. "Cervarix mit dem Adjuvans-System 04 zeigt höhere Antikörperkonzentrationen als derselbe Impfstoff, der nur Aluminiumhydroxid enthält". Auf S. 9 ist unter der Überschrift "Transsudation der Antikörper" eine Grafik abgebildet, unter welcher sich der Satz befindet "Antikörper im Zervikovaginalsekret verhindern die lokale Infektion der Zellen mit HPV 10, 11, 12". Hinsichtlich der weiteren Gestaltung der genannten sowie der übrigen Seiten wird auf das als Anlage Bf AG 6 zur Akte gereichte Original des Werbefolders Bezug genommen.

Unter dem 23.6.2008 ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin diesbezüglich abmahnen (Anlage EV 7). Die Antragsgegnerin ließ jedoch mit Antwortschreiben vom 26.6.2008 mitteilen, dass sie nicht bereit sei, die verlangte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben (Anlage EV 8). Nachfolgend reichte die Antragsgegnerin am 26.6.2008 eine entsprechende Schutzschrift beim LG Hamburg, Az. 312 AR 217/08, ein.

Die Antragstellerin machte am 30.6.2008 den vorliegenden Verfügungsantrag beim LG Hamburg rechtshängig.

Die Parteien streiten darüber, ob die vorgenannten Aussagen irreführend sind, und ob hinsichtlich des am 30.6.2008 bei Gericht eingegangenen Verfügungsantrags Dringlichkeit gegeben ist.

Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, dass die angesprochenen Verkehrskreise den auf der S. 5 des Werbefolders angestellten Vergleich dahingehend verstehen, dass es sich bei dem dort genannten HPV-Impfstoffen mit Aluminiumhydroxid um den Impfstoff Gardasil® handele, mithin die Präparate der Parteien verglichen würden. Das ergebe sich auch aus der als Anlagen EV 4 und EV 4a vorgelegten Meinungsumfrage.

Hinsichtlich der Angabe "Antikörper im Zervikovaginalsekret verhindern die lokale Infektion der Zellen mit HPV 10, 11, 12" auf S. 9 des Folders fehle es an jeglichem wissenschaftlichen Beleg. Insbesondere ergebe sich der wissenschaftliche Beleg nicht aus den in den Fußnoten 10, 11 und 12 genannten Veröffentlichungen (Anlagen EV 5a bis EV 5c). Eine entsprechende Angabe in einer Pressemitteilung der Antragsgegnerin vom 4.3.2008 sei daher bereits mit Beschlussverfügung des LG Hamburg vom 9.4.2008 - 416 O 73/08, verboten worden (Anlage EV 6).

Die Dringlichkeit sei für den gesamten Verfügungsantrag gegeben, da sie vor Einreichung des Antrages im Hinblick auf den Unterlassungsantrag zu I.1 noch eine Meinungsumfrage habe einholen müssen. Anderenfalls habe sie befürchten müssen, dass ihr ein "scheibchenweises" Vorgehen, d.h. eine rechtsmissbräuchliche Salami-Taktik vorgeworfen werden würde.

Die Antragstellerin hat beantragt, der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer ...

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