Leitsatz (amtlich)
1.
Die herausgestellte Werbeangabe: "Überlebensvorteil in der Adjuvans" für ein Arzneimittel zur Brustkrebstherapie wird mangels erkennbarer inhaltliche Einschränkung vom Referenzverbraucher (Fachkreise) generalisierend verstanden und damit auch im Sinne eines Gesamtüberlebensvorteil gegenüber dem bisherigen adjuvanten Therapie-Angebot nach der Chemotherapie oder Operation. In diesem Fall relativiert der über ein Sternchenvermerk hinzugefügte Hinweis auf eine Meta-Analyse zu einer speziellen Umstellungsvariante (nach 2-3jähriger Vorbehandlung) das Verständnis nicht.
2.
Wird dagegen ausdrücklich mit dem Ergebnis einer Meta-Analyse zu deren speziellen Umstellungsvariante geworben, so wird auch der dazu gegebene Hinweis "Signifikant verbessertes Gesamtüberleben" nur hierauf bezogen.
3.
Deckt sich die Werbeaussage mit dem Ergebnis einer zitierten und als "Meta-Analyse" bezeichneten Studie und hat diese zu einer entsprechenden Ergänzung in der Arzneimittelzulassung geführt, so kann die Werbeaussage nicht allein deswegen als wissenschaftlich unzureichend gesichert angegriffen werden, weil sie sich auf die Meta-Studie stützt. In welchen Fällen in der Werbung verdeutlicht werden muss, dass die Aussage "nur" auf einer Meta-Studie beruht, kann vorliegend offen bleiben.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 06.06.2006; Aktenzeichen 312 O 133/06) |
Tenor
Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 6. Juni 2006 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufungen tragen die Antragstellerin 9/15 und die Antragsgegnerin 6/15.
und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 750.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A.
Die Parteien sind Arzneimittelhersteller und stehen miteinander im Wettbewerb, und zwar insbesondere beim Vertrieb von Präparaten zur Brustkrebs-Behandlung zur sog. adjuvanten Therapie im Anschluss an eine Chemotherapie oder Operation.
Für das von der Antragsgegnerin vertriebene Arzneimittel mi_oooo hat diese mit dem vierseitigen Werbefolder "mi_oooo. Überlebensvorteil in der Adjuvans" (Anlage ASt 3) geworben.
Die Antragstellerin beanstandet mehrere Angaben aus dem Werbefolder als unlauter und nimmt die Antragsgegnerin vorliegend im Wege des Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch.
Die Antragstellerin vertreibt das Präparat rara_yy (Wirkstoff: Letrozol), es war zur Zeit des Erlassverfahrens u. a. zugelassen für die "erweiterte adjuvante Therapie des hormonabhängigen primären Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen nach vorheriger adjuvanter Standardtherapie mit Tamoxifen über 5 Jahre" (Anlage ASt 1).
Das Arzneimittel mi_oooo der Antragsgegnerin (Wirkstoff: Anastrozol) war zur Zeit des Erlassverfahrens u. a. zugelassen für die "adjuvante Behandlung postmenopausaler Frauen mit hormonrezeptor-positivem, nicht fortgeschrittenem, invasivem Mammakarzinom" (Anlage ASt 2); die Zulassung war demgemäß - anders als zunächst rara_yy - nicht auf die erweiterte adjuvante Therapie im Anschluss an eine Tamoxifen-Behandlung beschränkt.
Der Zulassungsstatus von mi_oooo ist inzwischen ergänzt worden, das Arzneimittel ist nunmehr (Bl. 127) ausdrücklich auch zugelassen für die "adjuvante Behandlung postmenopausaler Frauen mit hormonrezeptor-positivem, nicht fortgeschrittenem Mammakarzinom, die bereits 2 bis 3 Jahre eine adjuvante Behandlung mit Tamoxifen erhalten haben" (Anlage AGG 3).
Die Unterlassungsanträge gemäß lit. a) bis lit. d) der ergangenen Beschlussverfügung enthalten jeweils eine Verbotsanlage (Anlagen A bis D "zum Tenor"), es sind auszugsweise Ablichtungen aus dem Folder der Antragsgegnerin (Anlage ASt 4).
Im Berufungsrechtszug geht es um die Unterlassungsanträge gemäß lit. a), lit. b) und lit. d) der Beschlussverfügung mit den Verbotsanlagen A, B und D.
Die 1. Seite des Folders (Deckblatt - dazu Verbots-Anlage A) zeigt die Abbildung einer Großmutter mit ihrem Enkelkind mit der handgeschriebenen Aufschrift: "Mein Leben hat einen neuen Mittelpunkt und der heißt nicht mehr Brustkrebs". In der Verbots-Anlage A sind diese Abbildung und diese Aufschrift abgedeckt, die Anlage A gibt die Angaben unterhalb der Abbildung wieder, sie lauten:
mi_oooo (r).
Überlebensvorteil in der Adjuvans. *
Das Sternchen ist am unteren Rand der 1. Seite des Folders (ebenso in der Anlage A) folgendermaßen erläutert:
* Meta-Analyse ARNO 95, ABCSG 8 und ITA: Postmenopausale Patientinnen mit hormonrezeptor-positivem, nicht fortgeschrittenem Mammakarzinom, die nach 2-3-jähriger Tamoxifen-Therapie auf mi_oooo(r) umgestellt werden, haben im Vergleich zu denen, die 5 Jahre mit Tamoxifen behandelt werden, eine um 29% signifikant erhöhte Überlebenschance. (Quelle: Jonat et al., Breast Cancer Res. Treat., Vol. 94 (2005), Suppl 1, Abstr. 18, S11; mod. nach Präsentation von Jonat, 28th Annual San Antonio Breast Cancer Symposium, 8-11.12.2005, Abstr. 18) mi_oooo(r) ist zugelassen für die adjuvante Behandlung postmenopausaler Frauen mit hormonrezeptor-positivem, nicht...