Leitsatz (amtlich)

Bei der Wertberechnung eines unter Nießbrauchsvorbehalt verschenkten Grundstücks im Rahmen des § 2325 BGB ist der Wert des Nießbrauchs grundsätzlich ex ante anhand der statistischen Lebenserwartung des Nießbrauchsberechtigten zu ermitteln; eine tatsächlich erkrankungsbedingt geringere Lebenserwartung ist nur zu berücksichtigen, wenn die Erkrankung im Zeitpunkt der Schenkung bereits bekannt war und im Fall einer Veräußerung des Grundstücks zu diesem Zeitpunkt auch in den Verhandlungen mit potentiellen Erwerbern preiserhöhend Berücksichtigung gefunden hätte.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 28.12.2012; Aktenzeichen 328 O 360/10)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg vom 28.12.2012, Az.: 328 O 360/10, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um restliche Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Die Parteien sind Geschwister. Ihren Eltern gehörte zu gleichen Teilen ein 8/10-Miteigentumsanteil an dem Grundstück H.straße ... in Hamburg mit aufstehendem Wohnhaus. Durch Vertrag vom 26.1.2007 übertrugen die Eltern der Parteien der Beklagten diesen Miteigentumsanteil unter Nießbrauchsvorbehalt. Der Eigentumsübergang wurde am 6.3.2007 in das Grundbuch eingetragen. Eine Grundbucheintragung hinsichtlich des Nießbrauchs erfolgte aus unbekannten Gründen nicht. Der Vater der Parteien verstarb am 4.2.2008 und wurde durch die Mutter der Parteien als Alleinerbin beerbt. Am 16.12.2009 verstarb auch die Mutter der Parteien und wurde durch die Beklagte als Alleinerbin beerbt. Der Wert des Nachlasses nach dem Tod der Mutter der Parteien belief sich auf 1.532,27 EUR. Die Beklagte hat die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Klägerin bezogen auf beide Todesfälle mit 25.249,57 EUR errechnet und diesen Betrag an die Klägerin gezahlt.

Das LG hat den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch der Kläger nach der Mutter der Parteien auf Basis eines von der Kammer eingeholten Gutachtens des Sachverständigen V. mit 11.907,13 EUR, nach dem Vater der Parteien mit 7.243,24 EUR ermittelt. Insgesamt habe die Klägerin daher bereits mehr erhalten, als sie beanspruchen könne, weshalb die Klage abzuweisen sei.

Das entsprechende Urteil vom 7.12.2012, auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages im ersten Rechtszug verwiesen wird, wurde der Klägerin am 2.1.2013 zugestellt. Gegen dieses Urteil wendet sie sich mit ihrer am 31.1.2013 eingereichten und am 28.3.2013 nach Fristverlängerung bis zum 2.4.2013 begründeten Berufung.

Sie trägt vor:

Das Gutachten des Sachverständigen V. sei fehlerhaft und könne der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Der Gutachter habe nicht berücksichtigt, dass die Lage auf dem Grundstücksmarkt in Hamburg zwischen den Bewertungsstichtagen 6.3.2007, 4.2.2008 und 16.12.2009 durch eine verhaltene Nachfrage bei sinkenden Preisen gekennzeichnet gewesen sei. Für das Jahr 2007 habe der Gutachter nicht einmal den Mittelwert für die mäßige Lage von 1.976 EUR/qm in die von ihm durchgeführte Kontrollrechnung eingestellt, sondern einen geminderten und wegen angeblicher Mängel nochmals reduzierten Betrag von 1.401,00 EUR/qm.

Tatsächlich liege das Grundstück zumindest in einer mittleren Lage. Unrichtig habe der Gutachter das hinter dem Grundstück befindliche Strandbad ... als wertmindernd eingestuft. Das Schwimmbad sei durch dichten Bewuchs von dem streitgegenständlichen Grundstück getrennt, wenig frequentiert und aus diesem Grund auch zwischenzeitlich geschlossen worden. Die bevorstehende Schließung sei zum Zeitpunkt der Begutachtung bekannt gewesen. Die ruhige Lage des Grundstücks am Ende einer Sackgasse und die landschaftlich schöne Umgebung seien vielmehr Merkmale einer guten Wohnlage; entsprechend sei auch ein Nachbargrundstück bewertet worden. Weiterhin habe der Gutachter nicht berücksichtigt, dass das Gebäude teilweise unterkellert und - bezogen auf den 16.12.2009 - frei lieferbar gewesen sei. Vom Gebäudewert 2007 habe er zu Unrecht einen Betrag von 15.000 EUR wegen eines Reparaturstaus (Dachsanierung) abgezogen. Dabei habe er nicht berücksichtigt, dass die Reparatur von den Erblassern finanziert worden sei. Der Schenkwert zum 6.3.2007 liege bei korrekter Berechnung über dem Erbfallwert, so dass es auf die Bewertung des Nießbrauchs nach der BGH-Rechtsprechung nicht mehr ankomme. Indes sei auch der Nießbrauchswert unzutreffend ermittelt worden, indem der Sachverständige für die Berechnung von der statistischen Lebenserwartung der Erblasser bei Einräumung des Nießbrauchs, nicht von deren tatsächlicher (deutlich geringerer) Lebenszeit ausgegangen sei. ...

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