Leitsatz (amtlich)

1. Eine Regelung im Erwerbsvertrag lautend "Der Käufer/Erwerber übernimmt hiermit mit schuldbefreiender Wirkung für den Verkäufer/Veräußerer mit dem Verrechnungstag alle mit dem Eigentum am Vertragsgegenstand verbundenen Rechte und Verpflichtungen. Dies betrifft ... auch die für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer begründeten Vertragsverhältnisse, insbesondere zur Ver- und Entsorgung, zum Betrieb, zur Verwaltung, zum Blockheizkraftwerk", kann allenfalls zur Erfüllungsübernahme zulasten des Erwerbers, nicht aber zulasten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer führen.

2. Die Belieferung mit Wärme und deren Abnahme stellen sich nicht als schlüssige Willenserklärungen gerichtet auf die Vertragsübernahme dar, wenn das EVU mit der Bauträgerin einen wirksamen Vertrag über die Wärmelieferung hatte (kein Vertragsschluss über eine Realofferte).

3. Die Befugnis des teilenden Eigentümers zur Bestellung des 1. Verwalters endet - bis 30. November 2020 - mit Entstehen der werdenden Gemeinschaft. Auch der Verwaltervertrag verschafft der Verwalterin nicht die erforderliche Vertretungsmacht (anders heute § 9b Abs. 1 WEG n.F.), wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer noch nicht existierte (heute § 9a Abs. 1 Satz 2 WEG n.F.).

 

Normenkette

WoEigG § 8 a.F., § 10 a.F., § 27 a.F.; BGB §§ 177-179, 433, 675; WoEigG § 9a Abs. 1 S. 2 n.F., § 9b Abs. 1 n.F.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 30.07.2021; Aktenzeichen 310 O 453/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.07.2021, Az. 310 O 453/18, teilweise abgeändert:

a) Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht in den zwischen der Beklagten und der L., geschlossenen Pacht- und Wärmeversorgungsvertrag vom 08.07.2015, Vertragsnummer ... eingetreten ist, insbesondere nicht durch die Überleitungsvereinbarung vom 15.07.2015.

b) Es wird festgestellt, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet ist, von ihr Wärme zu beziehen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Die Kosten der Nebenintervenientin der Klägerin fallen der Beklagten zur Last, die Nebenintervenientin der Beklagten hat ihre Kosten selbst zu tragen.

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin bzw. die Nebenintervenientin der Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf insgesamt EUR 313.875,- festgesetzt. Davon entfallen EUR 217.875 auf die Berufung und EUR 196.000 auf die Anschlussberufung.

 

Gründe

I. Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) wendet sich gegen das Urteil des Landgerichts, mit dem ihre Klage abgewiesen worden ist. Sie begehrt die Feststellung, dass sie nicht in einen von der Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) mit der Bauträgerin L., der Nebenintervenientin der Beklagten, geschlossenen Pacht- und Wärmeversorgungsvertrag eingetreten ist und sie nicht gegenüber der Beklagten verpflichtet ist, von der Beklagten Wärme zu beziehen. Außerdem macht sie einen Zahlungsanspruch auf Rückzahlung erfolgter Zahlungen geltend. Im Wege der hilfsweisen Anschlussberufung begehrt die Beklagte die Verpflichtung der Klägerin, ihre Zustimmung zur Vertragsübernahme zu erteilen.

Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen. Klägerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft des Grundstücks B. in Hamburg, die 96 Wohneinheiten und 78 Tiefgaragenstellplätze umfasst (im Folgenden: WEG). Die Bauträgerin teilte ihr Eigentum an dem Grundstück mit Teilungserklärung vom 24.06.2013 in Miteigentumsanteile. Zugleich wurde die "Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft B." notariell beurkundet (im Folgenden: TE/GO). In § 11 (3) der TE/GO ist geregelt:: "Die Eigentümergemeinschaft hat durch den Verwalter u.a. folgende Verträge vom aufteilenden Eigentümer zu übernehmen, sofern vorhanden: 1. Wärmeversorgung, 2. Strom und Wasser (...) 6. Blockheizkraftwerk". In dieser TE/GO wurde noch kein Verwalter bestellt, dies sollte zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Für den weiteren Inhalt der TE/GO wird auf die Anlage K1 Bezug genommen. Am selben Tag ließ die Bauträgerin eine Baubeschreibung beurkunden, in deren Ziffer III. 13. es heißt: "Die Wärmeversorgung des Gebäudes erfolgt über ein Blockheizkraftwerk ggf. auf Fremdbetreiberbasis mit zusätzlicher Brennwertkesselanlage oder gleichwertig", für deren weiteren Inhalt auf Anlage K2 Bezug genommen wird. Die Bauträgerin ließ ein mit Erdgas betriebenes Blockheizkraftwerk in einem Kellerraum der Wohnanlage errichten.

Im Juni 2014 schlossen die Bauträgerin und die H. N. GmbH einen Gas-Netzanschlussvertrag. Am 0...

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