Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinnahme fremdstaatlicher Enteignung bei fehlendem Inlandsbezug
Leitsatz (amtlich)
1. Im Bereich des internationalen bzw. Kollisionsrechts ist der Begriff der Enteignung weit zu verstehen und umfasst jegliche aus wirtschafts- oder allgemeinpolitischen Gründen erfolgende Entziehung oder wirkungsgleiche Beschränkung von Vermögenswerten oder -rechten durch einen ausländischen Staat.
2. Unter welchen Voraussetzungen fremdstaatliche Enteignungen hinzunehmen sind, richtet sich nicht nach den allgemeinen Regeln des Internationalen Privatrechts, sondern nach besonderen enteignungskollisionsrechtlichen Normen. Ausgehend vom Territorialitätsprinzip sind danach fremdstaatliche Enteignungen grundsätzlich als wirksam anzusehen, soweit die Enteignungsgegenstände zum Zeitpunkt der Enteignung im Hoheitsgebiet des Enteignungsstaates belegen sind.
3. Die Hinnahme fremdstaatlicher Enteignungen wird durch den Vorbehalt des ordre public (Art. 6 EGBGB) eingeschränkt, wonach die Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden ist, wenn dies zu einem Ergebnis führt, welches mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Die Anwendung dieser Vorbehaltsklausel setzt allerdings voraus, dass der zu beurteilende Tatbestand eine genügende Inlandsbeziehung aufweist. Diese ist nicht gegeben, wenn ein Kaffeefarmer aus Simbabwe geltend macht, dass ihm die Kaffeeernte durch staatliche Gewalt genommen worden sei, und gestützt auf sein Eigentum verhindern will, dass der über einen Zwischenhändler an ein in Deutschland ansässiges Unternehmen veräußerte und nach Deutschland gelieferte Kaffee weiterverarbeitet und verkauft wird.
4. Fehlt es an dem Inlandsbezug, so ist die fremdstaatliche Maßnahme hinzunehmen, ohne dass es auf die Vereinbarkeit der Enteignung mit dem Verfassungsrecht und dem einfachen Gesetzesrecht des Enteignungsstaates ankommt.
Normenkette
BGB § 985; EGBGB Art. 6, 38, 43
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 11.11.2004; Aktenzeichen 327 O 639/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin vom 18.11.2004 gegen den Beschluss des LG Hamburg vom 11.11.2004 (Geschäfts-Nr. 327 O 639/04) wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 40.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Dem Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht zu entsprechen. Es fehlt an einem Verfügungsanspruch. Dies gilt insb. für einen Anspruch aus § 985 BGB, auf den die Verfügungsklägerin ihr Begehren allein gestützt hat. Bereits auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags ist nicht dargetan, dass ihr Eigentum an dem Kaffee zusteht, den die Verfügungsbeklagte gem. Bestätigung vom 19.8.2004 (Anlagenkonvolut Ast 24) von der in Harare/Simbabwe ansässigen Firma P. Ltd. erworben hatte und der sich zumindest zu einem Teil noch im (mittelbaren) Besitz der Verfügungsbeklagten befindet.
Dabei kann zugunsten der Verfügungsklägerin unterstellt werden, dass der im Streit befindliche Kaffee im Jahre 2003 auf der von ihr unter der Bezeichnung "Charleswood Estate" in der Region Chimanimani/Simbabwe betriebenen Kaffeefarm geerntet, dort gelagert, nach der Besetzung der Farm durch die Polizei und Armee des Staates Simbabwe an die zur simbabwischen Staatsverwaltung gehörende ARDA übergeben und von dieser an die Firma P. Ltd. verkauft wurde, und zwar ohne bzw. gegen den Willen der Verfügungsklägerin. Denn in dem von der Verfügungsklägerin geschilderten Zugriff von Behörden des Staates Simbabwe auf den Kaffee ist ein auf Eigentumsentziehung gerichteter Hoheitsakt zu sehen, der nach hiesigem Recht hinzunehmen ist, ohne dass die Voraussetzungen einer Enteignung nach dem Recht von Simbabwe, nach dem Völkerrecht oder nach deutschem Recht einer Überprüfung zugänglich wären, wie im Folgenden darzulegen sein wird.
1. Im Bereich des internationalen bzw. Kollisionsrechts ist der Begriff der Enteignung weit zu verstehen. Er umfasst jegliche aus wirtschafts- oder allgemeinpolitischen Gründen erfolgende Entziehung oder wirkungsgleiche Beschränkung von Vermögenswerten oder -rechten durch einen ausländischen Staat (Kreuzer in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 1998, nach Art. 38 Anh. III Rz. 20, m.w.N.). Als wirkungsgleiche Beschränkung von Vermögensrechten ist jede hoheitliche Maßnahme anzusehen, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen einer Entziehung gleichkommt. Als solche kommen u.a. eine administrative Unterstellung von Unternehmen oder deren Kapitalanlagen unter eine staatliche Aufsicht, eine Entziehung oder Minderung der Verfügungsmacht bzw. eine Beschlagnahme in Betracht, wenn die betreffende Maßnahme nicht nur vorläufigen Charakter hat, sondern nach Zweck und/oder Dauer auf eine definitive Entziehung hinausläuft (Kreuzer in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 1998, nach Art. 38 Anh. III Rz. 21, m.w.N.).
In diesem Sinne ist nach dem eigenen V...