Entscheidungsstichwort (Thema)
"staytuned"
Leitsatz (amtlich)
1. Das Internetangebot eines Musikdienstes, durch welches den Nutzern gegen Entgelt Tonaufnahmen von im Handel erworbenen Tonträgern im sog. Streamingverfahren online in der Weise übermittelt werden, dass jeder Nutzer sich individuell ein Programm verschiedener Musiktitel zusammenstellen kann und dieses Programm innerhalb des bezahlten Nutzungszeitraums zu einer Zeit und von einem Ort seiner Wahl beliebig oft abrufen und anhören kann, verletzt die ausschließlichen Rechte des Tonträgerherstellers gem. den §§ 85, 19a UrhG.
2. § 19a UrhG fordert nicht, dass die Musikaufnahmen durch Herunterladen in den Besitz des Nutzers gelangen. Der Tonträgerhersteller ist auch nicht gem. den §§ 86, 78 Abs. 2 UrhG auf einen Beteiligungsanspruch an der Vergütung des ausübenden Künstlers beschränkt.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 19a, § 85
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 06.10.2004; Aktenzeichen 308 O 365/04) |
Tenor
Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des LG Hamburg - Zivilkammer 8 - vom 6.10.2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Tonträgerherstellerin und nimmt den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch. Der Antragsgegner betreibt unter der Internetadresse "staytuned. de" einen als "StayTuned Direct Drive Net Radio" bezeichneten Musikdienst. Dabei handelt es sich um ein Angebot, den Nutzern dieses Dienstes Tonaufnahmen im sog. Streaming-Verfahren via Internet zu übermitteln und für diese hörbar zu machen. Nach Registrierung und Überweisung eines bestimmten - vom Nutzungszeitraum abhängigen - Geldbetrages ist es dem Abonnenten des Musikdienstes möglich, sich ein Musikprogramm nach seinen Wünschen zusammenzustellen. Er kann Musikalben oder einzelne Titel der Alben individuell abrufen und zu eigenen Playlisten zusammenstellen. Dieses individuell zusammengestellte Programm kann der Abonnent innerhalb des bezahlten Nutzungszeitraumes zu einer Zeit und von einem Ort seiner Wahl beliebig oft abrufen und im Streaming-Verfahren anhören. Ein Herunterladen der Musikstücke zur dauerhaften Weiterbenutzung ist nicht möglich.
Die Antragstellerin sieht in der Verwendung von 9 bestimmten Tonträgern für den Musikdienst des Antragsgegners eine Verletzung ihrer Tonträgerherstellerrechte und begehrt im Verfügungsverfahren ein gerichtliches Verbot, diese Musikaufnahmen im Internet zum jederzeitigen individuellen Abruf durch Dritte im Streaming-Verfahren zugänglich zumachen.
Außerdem beanstandet sie, dass der Antragsgegner sie auf seiner Website als seine Medienpartnerin angebe und beantragt ein weiteres Verbot, im geschäftlichen Verkehr die Antragstellerin unter der Bezeichnung "Sony Music" in der Rubrik "Medienpartner" auf der Website "staytuned. de" als Partner des Antragsgegners anzugeben.
Das LG hat beide Verbote durch einstweilige Verfügung erlassen und nach Widerspruch des Antragsgegners durch Urteil bestätigt. Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragsgegners, mit der er die Änderung des Urteils und die Zurückweisung des Verfügungsantrags begehrt.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. In der Berufungsinstanz macht der Antragsgegner im Wesentlichen geltend:
Die Antragstellerin besitze keine Tonträgerherstellerrechte, sondern sei eine reine Vertriebsfirma. Sie habe lediglich Bandübernahmeverträge mit den eigentlichen Produzenten geschlossen. Zum Teil seien die Aufnahmen schon vor In-Kraft-Treten des § 19a UrhG entstanden und auf die Antragstellerin übertragen worden und daher seien die Rechte aus dieser Bestimmung nach § 31 Abs. 4 UrhG nicht von der Rechteübertragung erfasst. Hinsichtlich der Sängerin Jennifer Lopez sei nicht ausreichend substantiiert, dass mit den online-Rechten auch das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung auf die Antragstellerin übertragen worden sei.
Der Antragsgegner habe seine Daten von frei verkäuflichen Werkstücken bezogen. Hierauf befänden sich die Darbietungen der ausübenden Künstler. Diese hätten Rechte nach den §§ 77,78 UrhG und könnten für die Verwendung in dem Musikdienst des Antragsgegners lediglich eine Vergütung fordern, da es sich um eine Zweitverwertung handele. Der Antragstellerin stehe nach § 86 UrhG ebenfalls nur eine Beteiligung an dieser Vergütung zu, aber sie könne kein Verbot beanspruchen. Der Antragsgegner begehrt zur Klärung dieser Rechtsfragen eine Vorlage an den EuGH.
Der Antragsgegner habe ferner davon ausgehen dürfen, dass seine Nutzungen durch seine Zahlungen an die GVL und die GEMA erlaubt seien. Die GVL lizenziere gem. Wahrnehmungsverträgen aus dem Jahr 2004 auch Rechte zur öffentlichen Zugänglichmachung.
Der Antragsgegner sei in erster Linie ein Sendeunternehmen und könne sich auf den Schutz des § 87 UrhG berufen. Außerdem stünden ihm die Rechte des Datenbankherstellers nach § 87a ff. UrhG zu. S...