Normenkette
VVG § 152
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 323 O 137/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 23, vom 28.1.2000 – G.-Nr. 323 O 137/98 – wie folgt geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Entscheidung unterliegt gem. § 26 Ziff. 5 EGZPO altem Berufungsrecht.
Die Entscheidung ergeht im erklärten Einverständnis der Parteien gem. § 524 Abs. 4 ZPO a.F. durch den Einzelrichter.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.
Gründe
Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Diejenige der Beklagten ist auch begründet, während jene des Klägers unbegründet ist.
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht zu, weil deren Haftung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles gem. § 152 VVG ausgeschlossen ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich das Gericht die Überzeugung gebildet, dass der Zeuge R. als Fahrer absichtlich auf den Pkw des Klägers aufgefahren ist. Dies beruht im Einzelnen auf Folgendem:
Der Sachverständige M. ist mit überzeugenden Ausführungen zu dem Ergebnis gekommen, dass der vom Zeugen R. gelenkte Pkw im ungebremsten Zustand auf den Pkw des Klägers aufgefahren ist, als dieser mit bereits wieder hochgefedertem Heck stand, und dass zwischen der Reaktionsaufforderung (Aufleuchten der Bremsleuchten des klägerischen Pkw) bis zur Kollision eine Zeitspanne von mindestens 3,6 Sekunden vergangen ist. Dieses Ergebnis ist sodann auch von dem Sachverständigen H. bestätigt worden. Zur Vermeidung überflüssigen Schreibwerks wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen M. vom 6.9.1999 und des Sachverständigen H. vom 1.2.2002 sowie auf die Ausführungen beider Sachverständiger gemäß Sitzungsprotokoll vom 24.4.2002 Bezug genommen. Der Kläger ist diesem Ergebnis sodann auch nicht mehr entgegengetreten.
Unter Abzug der dem Zeugen R. zuzubilligenden Reaktionszeit von einer Sekunde verbleibt demnach ein nicht erklärbarer Reaktionsverzug von mindestens 2,6 Sekunden. Dieser kann unter den gegebenen Umständen nur damit erklärt werden, dass der Zeuge R. absichtlich ungebremst aufgefahren ist. Schon das LG hatte ausgeführt, dass ein von ihm angenommener Reaktionsverzug von 1,3 bis 2,1 Sekunden kaum erklärbar sei. Nach der erfolgten Klarstellung durch beide Sachverständige beträgt der Reaktionsverzug tatsächlich jedoch sogar mindestens 2,6 Sekunden.
Auch die erneute Vernehmung des Zeugen R. hat keine andere Erklärung für diesen extremen Reaktionsverzug erbracht. Der Versuch des Zeugen, dies damit zu erklären, dass er gedanklich abgelenkt gewesen sei, vermag das Gericht nicht zu überzeugen. Hier ist von der konkreten Situation auszugehen, wie der Zeuge sie noch bei seiner Vernehmung vor dem LG und in seiner schriftlichen Schadensmeldung geschildert hatte. Danach fuhren beide auf die Ampel zu, die gerade auf Gelb umsprang, und der Zeuge R. dachte zunächst, der Kläger würde noch rüberfahren, und er beschleunigte deswegen noch. Dann aber habe der Kläger doch gebremst. In solcher Situation muss der Zeuge notgedrungen seine Aufmerksamkeit ungebrochen auf das Fahrgeschehen gelenkt haben. Ein Reaktionsverzug von mindestens 2,6 Sekunden ist hier nicht mit Unaufmerksamkeit zu erklären. Das gilt umso mehr, als der Zeuge, wie er ausdrücklich eingeräumt hat, nicht etwa übermüdet war und eingeschlafen ist – was in der konkreten Situation übrigens auch undenkbar wäre – und sich auch, nicht mit irgendwelchen schriftlichen Unterlagen auf dem Beifahrersitz beschäftigt hatte. Angesichts des feststehenden Ergebnisses der Sachverständigen vermag das Gericht also dem Zeugen seine Darstellung, wonach er infolge Unachtsamkeit aufgefahren sei, nicht abzunehmen. Da es auch keine sonstige Erklärung für den Reaktionsverzug gibt, kann dieser nur mit Vorsatz erklärt werden.
Die Klage ist daher vollen Umfangs abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Abwendungsbefugnis entspricht §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des gem. § 26 Ziff. 7 EGZPO anwendbaren § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. nicht vorliegen.
Wapenhensch
Fundstellen
Haufe-Index 1105785 |
OLGR-BHS 2003, 204 |