Normenkette
InsO § 143 Abs. 1 S. 2; BGB § 187 Abs. 1, §§ 288, 291, 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 11.11.2015; Aktenzeichen 303 O 363/12) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 3, vom 11.11.2015, Az. 303 O 363/12, werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313.a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten (dazu unter 1.) und die zulässige Anschlussberufung des Klägers (dazu unter 2.) haben keinen Erfolg.
1. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das LG die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 18.545,01 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.3.2012 zu zahlen. Dem Kläger steht ein Rückgewähranspruch aus §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO gegen die Beklagte in Höhe der zugesprochenen Hauptforderung zu, der gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in gesetzlicher Höhe ab dem auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens folgenden Tag zu verzinsen ist. Im Einzelnen:
a. Anders als die Beklagte andeutet (S. 10 f. der Berufungsbegründung, Bl. 276 f. d.A.) unterliegen auch Zahlungen auf Steuerverbindlichkeiten, wie sie hier in Rede stehen, der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO. Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch verdrängt grundsätzlich die außerhalb der Insolvenz geltenden Regelungen etwa im Steuer- oder Abgabenrecht (BGH, Beschluss vom 24.3.2011, IX ZB 36/09, NJW 2011, 1365 f., hier zitiert nach juris, Rdn. 5). Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass man darüber streiten könnte, auf welchem Rechtsweg ein solcher Anspruch geltend zu machen ist (Ede/Hirte in: Uhlenbruck u.a., Insolvenzanfechtung, 14. Aufl. 2015, § 143 Rdn. 139 ff. m.w.N.), ist es dazu im Berufungsverfahren zu spät. Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, § 17.a Abs. 5 GVG.
b. Die im Berufungsverfahren noch streitbefangenen Zahlungen, nämlich
EUR 2.257,79 am 18.04.2011
EUR 2.521,14 am 19.05.2011
EUR 3.167,30 am 20.06.2011
EUR 5.292,48 am 22.08.2011
EUR 2.881,12 am 19.09.2011
EUR 2.425,18 am 20.10.2011,
insgesamt also EUR 18.545,01,
beruhen unstreitig auf Überweisungen der Schuldnerin und damit - wie von §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzt - auf Rechtshandlungen der Schuldnerin.
c. Diese Rechtshandlungen haben zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO geführt.
Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin, wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 25.2.2016, IX ZR 12/14, WM 2016, 553 ff., hier zitiert nach juris, Rdn. 6 m.w.N.).
Dies hat das LG zu Recht festgestellt (S. 7 f. des angefochtenen Urteils, Bl. 232 f. d.A.).
Unstreitig sind durch die Überweisungen Forderungen der Schuldnerin gegen ihre Bank vermindert worden. Dadurch verschlechterten sich die Befriedigungsmöglichkeiten der übrigen Insolvenzgläubiger, die es ausweislich der Insolvenztabelle (Anlage K 8) neben der Beklagten gibt.
Entgegen der Meinung der Beklagten (S. 6 f. der Berufungsbegründung, Bl. 272 f. d.A.) setzt die Feststellung einer objektiven Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO ebenso wenig wie die Feststellung eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners voraus, dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung andere Gläubiger vorhanden waren, deren Forderungen infolge der Zahlungen an den Anfechtungsgegner nicht mehr vollständig befriedigt werden konnten. Im Falle der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO genügt vielmehr eine mittelbare, erst künftig eintretende Gläubigerbenachteiligung. Eine Vorsatzanfechtung ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch gar keine Gläubiger hatte (BGH, Urteil vom 13.8.2009, IX ZR 159/06, WM 2009, 1643 ff., hier zitiert nach juris, Rdn. 5 m.w.N.). Es bedarf daher nicht eines - von der Beklagten vermissten (S. 7 der Berufungsbegründung, Bl. 273. d.A.) - Vortrags des Klägers dazu, welche Gläubiger welche titulierte Forderung zur Zeit der einzelnen hier relevanten Zahlungen gegen die Schuldnerin hatten.
Der Einwand der Beklagten, die in § 129 Abs. 1 InsO vorausgesetzte Kausalität sei schon nach dem Vortrag des Klägers nicht gegeben (S. 6 der Berufungsbegründung, Bl. 272. d.A.), greift nicht durch. Die A...