Leitsatz (amtlich)
Eine gezielte Werbung für Telefonmehrwertdienstleistungen ggü. Kindern und Jugendlichen in Jugendzeitschriften ist sittenwidrig, wenn sich die Kosten nicht übersehen lassen und das Produkt an jedem Ort und zu jeder Zeit bestellt werden kann.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 845/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12 v. 14.5.2002 – 312 O 845/01) wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 5.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
und beschließt:
Der Streitwert wird auf 25.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände und damit der Dachverband von 16 Verbraucherzentralen und 18 weiterer verbraucher- und sozialorientierter Verbände.
Die Beklagte ist eine im Bereich der neuen Medien tätige Gesellschaft. Sie vertreibt an Endverbraucher u.a. Klingeltöne, Logos, SMS – Bilder und dergleichen mehr, die diese sich mit einem Anruf auf ihr Handy laden könne. Ihre Dienste bewirbt sie u.a. auch in der Zeitschrift „BRAVO Girl”.
Die Klingeltöne usw. werden über eine kostenpflichtige 0190er Service-Telefonnummer geladen, bei der Gebühren von 1,86 Euro (= 3,63 DM) pro Minute anfallen.
Der Kläger hält eine solche Werbung ggü. Jugendlichen für gegen die guten Sitten verstoßend und hat vorgetragen, Jugendliche seien besonders anfällig für solcherlei Werbung.
Sie neigten verglichen mit Erwachsenen eher zu spontanen Entscheidungen. Dies gelte gerade auch im Hinblick auf die von der Beklagten angebotenen Leistungen, zu deren Inanspruchnahme Kinder und Jugendliche leicht zu verführen seien. Die Ausnutzung der dem Werbenden bekannten geschäftlichen Unerfahrenheit der angesprochenen Personengruppe, denen die notwendige geschäftliche Kenntnis, Erfahrung und Reife fehle, sei unlauter. Demgemäss sei es auch sittenwidrig, Kinder und Jugendliche unter Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit, Ungewandtheit und leichten Beeinflussbarkeit zu unwirtschaftlichen Ausgaben und Anschaffungen über Bedarf zu verführen. Gerade auch die Begeisterungsfähigkeit und Spiellust der hier speziell angesprochenen Verkehrskreise nutze die Beklagte aus. Bekanntermaßen seien Jugendliche bestrebt, ihnen gehörende Gegenstände individualisierend zu gestalten. Bei Handys gehöre dazu die Ausstattung mit speziellen Klingeltönen. Tatsächlich würde bei rationaler Betrachtung kein durchschnittlich aufgeklärter Verbraucher auf die Idee kommen, für die telefonische Bestellung eines Klingeltons 3,63 DM pro Minute auszugeben. Dies gelte um so mehr, als bei der bloßen Angabe des Minutenpreises nicht klar sei, wie teuer der Klingelton tatsächlich werde. Hinzu komme, dass Jugendliche nicht gewohnt seien, Telefonrechnungen zu bezahlen, zumal sie im Regelfall das Telefon ihrer Eltern benutzten. So seien etwa bei der Bestellung eines solchen Klingeltons in einem 4-minütigen Gespräch Kosten i.H.v. 14,52 DM verursacht worden. Der hohe Preis sei nicht aufgrund fehlerhafter Eingaben entstanden. Bei dem als Zeugen benannten Jugendlichen J.W. handele es sich um einen erfahrenen Handybenutzer. Abgesehen davon müsste bei Kindern und Jugendlichen ohnehin häufiger mit Eingabefehlern gerechnet werden, von denen die Beklagte profitiere. Dass das durchschnittliche Herunterladen eines Klingeltons 110 Sekunden dauere und 3,40 Euro koste (6,66 DM), werde bestritten. Gerade mit kostenträchtigen 0190er Rufnummern würden immense Telefonkosten verursacht, wie der dem Urteil des LG Berlin (Anlage K3) zugrundeliegende Sachverhalt zeige, in dem ein 16jähriger innerhalb von 2 Monaten mit 0190er Nummern Telefonkosten i.H.v. knapp 17.000 DM verursacht hätte.
Auf die Frage, ob generell Kinder und Jungendliche wüssten, dass 0190er Nummern kostenpflichtig seien und häufig Minutenpreise von (früher) 3,63 DM verlangt würden, komme es nicht an.
Dass es sich bei „BRAVO-GIRL” um eine Jugendzeitschrift handele, zeige gerade die Erhebung von Bauer-Media (Anlage B2), wonach 48,5 % der Leserinnen minderjährig seien.
Das Angebot sei auch deshalb zu beanstanden, weil die Leistung in krassem Missverhältnis zum Preis stehe. Schließlich verstoße das Verhalten der Beklagten auch gegen den Verhaltenskodex der „Freiwilligen Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste”. Danach seien Angebote an die Zielgruppe „Minderjährige” nur bis zu einem maximalen Preis von 3,00 DM zulässig. Eine Animation zu Wiederholungsanrufen dürfe nicht erfolgen. Letzteres tue die Beklagte dadurch, dass sie für „weitere Logos, Klingeltöne, SMS-Bilder, Logo-Painter, u.v.m.” auf ihre Internetdomain verweise. Dies stelle eine nachhaltige Animation zu Wiederholungsanr...