Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 524/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.10.2022; Aktenzeichen IV ZR 185/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07.11.2019, Az. 312 O 524/15, aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG eingetragener Verein, nimmt den beklagten Versicherer auf Unterlassung der Verwendung der Formulierung "unerwartete und schwere Erkrankung" in dessen Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung in Anspruch.

Die Beklagte verwendet in ihren Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung (Anlage K 2) im Abschnitt B: Besonderer Teil unter der Überschrift "Reise-Rücktrittsversicherung" u.a. folgende Regelungen:

"2. Wann liegt ein Versicherungsfall vor?

Die HanseMerkur leistet, wenn Sie oder eine Risikoperson von einem versicherten Ereignis betroffen sind und der planmäßige Antritt der versicherten Reise dadurch für Sie nicht zumutbar ist.

3. Welche Ereignisse sind versichert?

1. Unerwartete und schwere Erkrankung, Tod, Unfallverletzung oder Schwangerschaft;

[...]

15. Unerwartete und schwere Erkrankung, schwere Unfallverletzung oder Impfunverträglichkeit zur Reise angemeldeten Hundes oder einer zur Reise angemeldeten Katze."

In Ziffer 7. VB-RS 2014 heißt es unter der Überschrift "Welche Einschränkungen des Versicherungsschutzes sind zu beachten?":

"1. Vorerkrankungen

Nicht versichert sind Erkrankungen, die zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bekannt und in den letzten 6 Monaten vor Versicherungsabschluss behandelt worden sind. Kontrolluntersuchungen gelten nicht als Behandlungen."

Im Abschnitt B: Besonderer Teil unter der Überschrift "Urlaubsgarantie (Reiseabbruch-Versicherung)" verwendet die Beklagte u.a. folgende Regelungen:

"2. Wann liegt ein Versicherungsfall vor?

Die HanseMerkur leistet, wenn Sie oder eine Risikoperson von einem versicherten Ereignis betroffen sind und die planmäßige Beendigung der versicherten Reise dadurch für Sie nicht zumutbar ist.

3. Welche Ereignisse sind versichert?

1. Unerwartete und schwere Erkrankung, Tod, Unfallverletzung oder Schwangerschaft;

[...]

6. Welche Einschränkungen des Versicherungsschutzes sind zu beachten?

1. Vorerkrankungen

Nicht versichert sind Erkrankungen, die zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bekannt und in den letzten 6 Monaten vor Versicherungsabschluss behandelt worden sind. Kontrolluntersuchungen gelten nicht als Behandlung."

Die Beklagte verwendet die Formulierung "Unerwartete und schwere Erkrankung" außerdem in ihrem Produktinformationsblatt (vgl. Anlage K 3) und in ihrer Leistungsübersicht (vgl. Anlage K 4).

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 11.06.2015 (Anlage K 5) auf, es zu unterlassen, bei Abschluss von Reiseversicherungsverträgen in ihren Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung gegenüber Verbrauchern die Formulierung "unerwartete und schwere Erkrankung" zu verwenden. Gleichzeitig forderte er die Beklagte mit diesem Schreiben auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 02.07.2015 (Anlage K 6) lehnte die Beklagte es ab, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Klauseln wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam seien. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne den Klauseln nicht hinreichend klar entnehmen, was versichert sei. Dieser könne anhand des Tatbestandsmerkmals "schwer" nicht erkennen, ab welcher Intensität der Erkrankung die Beklagte Versicherungsschutz gewähren wolle. Durch das Merkmal "unerwartet" werde dem Versicherungsnehmer nicht klar und verständlich gemacht, unter welchen Umständen er mit einer Erkrankung zu rechnen habe, ob ein schon bestehendes Grundleiden eine hierfür typische Erkrankung sei und ob ein bei einem chronischen Leiden typischer Krankheitsschub nicht mehr als "unerwartet" einzustufen sei. Es mangele den Versicherungsbedingungen der Beklagten an jeglicher Präzisierung der Tatbestandsmerkmale "schwer" und "unerwartet". Es wäre im Mindesten zu erwarten, dass die Beklagte Definitionen wiedergebe und in ihren Formularabreden erläutere, dass es bei der Schwere der Erkrankung darauf ankomme, dass die Krankheitssymptome der Nutzung der gebuchten Hauptreiseleistung entgegenstünden. Der Kläger hat weiter ausgeführt, dass die Klauseln auch gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstießen, weil sie den Versicherungsnehmer ...

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