Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 26.06.2008; Aktenzeichen 315 O 792/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.07.2010; Aktenzeichen I ZR 99/09)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 26. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Partien produzieren und vertreiben Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel.

Die Beklagte vertreibt unter dem Namen "O............ Gelenknahrung" ein Nahrungsergänzungsmittel zum Knorpelaufbau beanspruchter Gelenke. Das Produkt enthält 600 mg Glucosaminsulfat , 400 mg Chondroitinsulfat, 5 g Kollagenhydrolysat und 100 mg Vitamin C pro Portionsbeutel/Tagesration (Anlage Ast 1 zu dem vorangegangenen Verfügungsverfahren 315 O 124/07; 3 U 123/07).

Die Klägerin ist der Überzeugung, dass dieses Produkt wegen der Zusatzstoffe Glucominsulfat und Chondroitinsulfat als Lebensmittel nicht verkehrsfähig ist. Bei diesen Stoffen handele es sich um den Lebensmittel-Zusatzstoffen gleichgestellte Stoffe gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 LFGB, die mangels Zulassung nicht in den Verkehr gebracht werden dürften (§§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 1 Nr. 1 a, Nr. 2 LFGB). Demgemäß stehe der Klägerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 6 Abs. 1, Nrn. 1 und 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 LFGB zu.

Die Beklagte setze dem Produkt Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat nicht zu technologischen, sondern erklärtermaßen zu ernährungsphysiologischen Zwecken zu, was sich aus der Charakterisierung als "wichtige Knorpel-Bausteine" ergebe. Es gebe keine Verkehrsauffassung, derzufolge die beiden Stoffe überwiegend wegen ihres Nährwerts verwendet würden. Dazu verweist die Klägerin auf die Entscheidung des OLG Köln vom 03.01.2003 (LRE 48, 173), die auf die nachweisbare pharmakologische Wirkung von Glucosaminsulfat zur Verminderung von Schmerz und Verbesserung der Funktion bei leichter bis mittelgradiger Kniegelenkarthrose gemäß Aufbereitungsmonographie nach § 25 Abs. 7 AMG a.F. und die Aufnahme als Arzneistoff in den Entwurf der Vorschlagsliste für die sog. Positivliste verordnungsfähiger Arzneimittel in der GKV abstelle. Entsprechend habe das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, dem ein bis heute nicht beschiedener Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 LFGB vorliege, gegenüber den zuständigen Landesbehörden erklärt, dass es beabsichtige, Produkte mit den beiden Stoffen als zulassungspflichtige Arzneimittel einzustufen. Der Arbeitskreis der lebensmittelchemischen Sachverständigen - Arbeitsgruppe "Diätetische Lebensmittel, Ernährungs- und Abgrenzungsfragen" - sei in seiner 14. Sitzung am 12.02.2004 zu dem Ergebnis gelangt, dass Glucosaminsulfat kein Nährstoff und auch kein Lebensmittel, sondern ein arzneilich verwendeter Stoff sei. In der Folgesitzung sei darauf hingewiesen worden, dass ernst zu nehmende Zweifel an der Sicherheit von Glucosaminsulfat bei oraler Aufnahme beständen und dass die besondere Bedeutung beider Stoffe für Knochen und Gelenke nicht hinreichend gesichert sei. Das für die Produkte aus dem Hause der Beklagten zuständige bayerische Landesamt habe mitgeteilt, dass die Stoffe einer Zulassung als Zusatzstoffe bedürften. Nach Hahn "Nahrungsergänzungsmittel und ergänzende bilanzierte Diät", 2.Aufl./2006, S. 418 sei Glucosaminsulfat nicht als ernährungsphysiologisch bedeutsam anzusehen, zumal keine validen Daten zur Aufnahme mit der Nahrung und der möglichen Ernährungsbedeutung einer zusätzlichen Gabe vorlägen. Der Arbeitskreis "Lebensmittelchemische Sachverständige der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit" habe in seiner Stellungnahme 45/2007 (Anlag K 11) einvernehmlich festgestellt, dass keinerlei gesicherte Erkenntnisse über ernährungsphysiologische oder sonstige physiologische Wirkungen von Glucosamin und Chondroitrin vorlägen. Es sei auch keine Verkehrsauffassung bekannt, wonach solche Stoffe überwiegend wegen ihres Nährwertes verwendet würden.

Beide Stoffe seien in der hier vorliegenden Form auch nicht natürlicher Herkunft, denn sie würden unter Einsatz konzentrierter Säuren in einem künstlichen Prozess industriell gefertigt. Dies ist unter Beifügung eines Herstellungsdiagramms (Anlage K 5) und einer gutachterlichen Äußerung von Prof. H........ vom 16.04.2007 (Anlage K 7) im Einzelnen ausgeführt worden. Bei der Gewinnung aus Chitin mittels Säure werde der Stoff hydrolytisch aufgeschlossen, wodurch es zur Deacetylisierung komme. Die so entstehende freie Aminogruppe des Glucosamins werde dabei protoniert. Als Gegenionen dockten Schwefel- oder Salzsäure an den Molekülen ...

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