Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 08.02.1996; Aktenzeichen 306 O 155/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg. Zivilkammer 6, vom 8. Februar 1996 – Gesch. – Nr. 306 O 155/95 – wie folgt geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27.897,56 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 10. März 1995 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert den Beklagten um 27.897,56 DM.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Der Einzelrichter entscheidet im erklärten Einverständnis der Parteien gemäß § 524 Abs. 4 ZPO.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und auch sachlich begründet.

Der Klägerin steht aus dem abgeschlossenen Mietvertrag ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 27.897,56 DM wegen positiver Vertragsverletzung gemäß Ziff. 13 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anl. 2) gegen den Beklagten zu, weil dieser den gemieteten Pkw der Klägerin schuldhaft beschädigt hat. Der vertraglich vereinbarte Haftungsausschluß greift nicht ein, weil der Beklagte den Unfall und damit den Schaden grob fahrlässig herbeigeführt hat:

Grob fahrlässiges Verhalten liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, wenn schon einfachste naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedem einleuchten müssen. Dabei muß auch subjektiv ein unentschuldbares Fehlverhalten vorliegen, das erheblich über das gewöhnliche Maß hinausgeht (vgl. Stiefel/Hofmann, Kraftfahrversicherung, 15. Aufl., § 12 AKB, Rnr. 89 unter Hinweis auf die entsprechende höchstrichterliche Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen hat der Beklagte mit seinem Verhalten im vorliegenden Fall in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt, wobei das Unfallgeschehen und seine näheren Umstände weitgehend unstreitig und im übrigen auch durch die Aussage des Zeugen … bewiesen sind.

Danach hat der Beklagte das Fahrzeug des Zeugen B. auf einer kurvenreichen Strecke im Verlaufe einer Kurve überholt. Die Sicht auf die Gegenfahrbahn, mithin auf die für ein gefahrloses Überholen erforderliche Überholstrecke, war nicht nur durch diese Kurve begrenzt, sondern vor allem auch dadurch, daß bereits die nächste Kurve kam und noch dazu eine Bergkuppe, über die man nicht hinübersehen konnte. Das war nach der Aussage des Zeugen B. auch der Grund, weshalb der Beklagte nach dem Überholen sehr scharf wieder vor dem Fahrzeug des Zeugen Botzke einscheren mußte, da jederzeit vorher nicht sichtbarer Gegenverkehr hätte kommen können. Ein derart riskantes Überholmanöver, das schon mit einem „russischen Roulette” vergleichbar ist, muß allein schon als objektiv und subjektiv grob fahrlässig bezeichnet werden (vgl. OLG Hamm, VersR 91, 294; LG Freiburg, VersR 80, 838; LG Siegen, VersR 91, 1126). Dabei mußte der Beklagte zusätzlich noch mit einer erheblichen Überholstrecke rechnen, da der Zeuge B. fast ebenso schnell fuhr wie er selbst. Der Zeuge hat die Geschwindigkeitsdifferenz auf nur 10 bis 15 km geschätzt.

Hinzu kommen vorliegend jedoch noch folgende weitere Umstände, die das Verschulden des Beklagten noch erhöhen:

Es herrschte zur Unfallzeit (ca. 20.00 Uhr) bereits Dunkelheit und es nieselte. Dabei bestand die Straße aus bekanntermaßen besonders glitschigem Kleinkopfsteinpflaster. Das konnte und durfte jedenfalls auch dem Beklagten nicht verborgen geblieben sein, denn das Kleinkopfsteinpflaster erstreckte sich durchgehend von Güstrow bis Bülow und ist auch bei Dunkelheit zu erkennen, wie der Zeuge B. glaubhaft bekundet hat. Unter diesen Umständen der erkennbar glitschigen Straßenverhältnisse war das unverantwortliche Überholmanöver noch zusätzlich riskant. Dagegen hat der Zeuge B. die erstinstanzlich noch vom Beklagten ins Feld geführte Entschuldigung, es sei eine unvorhersehbare Straßenverschmutzung aufgetreten, die zum Unfall geführt habe, widerlegt. Er hat auf entsprechenden Vorhalt bekundet, die Straße sei sauber gewesen, es habe sich kein Dreck, auch keine Verschmutzung von Rüben o. ä. auf der Fahrbahn befunden.

Das Verschulden des Beklagten wird weiter dadurch erhöht, daß er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h überschritten hat. Denn schon der Zeuge Botzke fuhr mit etwa 65 bis 70 km/h bereits schneller als erlaubt. Deshalb durfte der Beklagte auch schon unabhängig von der konkreten Straßensituation den Zeugen B. ohnehin nicht überholen. Insbesondere wuchs aber mit der überhöhten Geschwindigkeit die Gefahr, auf der nassen, glitschigen Fahrbahn bei den beim Überhol Vorgang erforderlichen Lenkmanövern ins Schleudern zu geraten. Auch das mußte sich dem Beklagten aufdrängen. Zu Recht hat der Beklagte denn auch unmittelbar nach dem Unfall Einsicht gezeigt, als er dem Zeugen B. – wie dieser bekundet hat – erklärte, er wisse, er hätte da nicht überholen dürfen.

Schließlich ist das Verschulden des Beklagten subjektiv zusätzlich dadurch ...

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