Leitsatz (amtlich)
1. Der Befrachter darf die Rechte aus dem Seefrachtvertrag wieder geltend machen, wenn der berechtigte Konnossementinhaber die Annahme der Güter ablehnt. Es steht in diesem Zusammenhang einer Annahmeverweigerung gleich, wenn die Ladung, die auf der Reise beschädigt worden ist, nicht erst zu dem Bestimmungshafen transportiert wird, sondern im Einverständnis mit dem Empfänger ausgeladen und zu dem Befrachter zurückgebracht wird.
2. Der Befrachter kann, auch wenn er durch die Beschädigung der Ladung selbst keinen Schaden erlitten hat, weil er nach dem Kaufvertrag die Gefahr nur bis zur Abladung im Verschiffungshafen zu tragen hatte, nach den Grundsätzen des Rechtsinstituts der Drittschadensliquidation von dem Verfrachter Ersatz verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der tatsächlich geschädigte Empfänger in der Lage ist, seinen Schaden aus eigenem Recht geltend zu machen.
Normenkette
HGB §§ 656, 660 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 419 O 130/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, vom 22.1.2001 (LG Hamburg v. 22.1.2001 – 419 O 130/99) wird zurückgewiesen.
Die Nebenintervenientin trägt die durch die Nebenintervention verursachten Kosten der Berufung.
Die übrigen Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 150.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gegen dieses Urteil wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht als Transportversicherer auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte, den konnossementsmäßigen Verfrachter, geltend.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, vom 22.1.2001 (LG Hamburg v. 22.1.2001 – 419 O 130/99) Bezug genommen.
Das LG hat durch dieses Urteil die Beklagte verurteilt, der Klägerin den Gegenwert von 45.800 Sonderziehungsrechten zum Kurs am 22.1.2001 mit 5 % Zinsen seit dem 23.11.1999 zu zahlen. Im Übrigen hat das LG die Klage abgewiesen.
Hinsichtlich der Begründung des LG wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 172 ff. d.A) Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihr am 23.1.2001 zugestellt worden ist, am 23.2.2001 Berufung eingelegt und diese am 23.3.2001 begründet.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sich die Empfängerin weder ausdrücklich noch konkludent der Verfügungsbefugnis über die Ladung gegeben habe. Sie habe auch nicht auf die Durchsetzung ihrer Rechte verzichtet. Anderenfalls hätte für die chinesische Empfängerin kein Anlass bestanden, diese Ansprüche an die Klägerin abzutreten. Bei einem Verzicht wäre im Übrigen kein abtretbarer Anspruch verblieben.
Zu Unrecht habe das LG der Klägerin das Institut der Drittschadensliquidation zugebilligt. Die chinesische Empfängerin sei aus dem von der Beklagten ausgestellten Konnossement legitimiert gewesen. Sie und ihr nachfolgend die Klägerin sei wertpapierrechtlich verfestigt und vertraglich ggü. drr Beklagten legitimiert, erlittene Schäden geltend zu machen. Damit könne sich die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Verkäuferin/Befrachterin zur Wahrung ihrer (vermeintlichen) Rechte nicht auf das Institut der Drittschadensliquidation zurückziehen; dieses Institut sei zugunsten der Verkäuferin/Befrachterin bzw. der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin nicht anwendbar.
Diese Auffassung werde i.E. durch das Gesetz in § 656 HGB bekräftigt.
Während das Konnossement für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfrachter und dem Empfänger der Güter maßgeblich „ist” (§ 656 Abs. 1 HGB), sei es der Frachtvertrag, der zwischen dem Verfrachter und dem Befrachter maßgebend „bleiben” solle. Die Anwendung des Institutes der Drittschadensliquidation würde dementsprechend zu einer Umgehung des gesetzgeberischen Petitums in § 656 Abs. 1 HGB führen. Es sei das Konnossement und nicht der Frachtvertrag, auch nicht in Form der „Drittschadensliquidation”, der das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfrachter und der dann allein anspruchsberechtigten Empfängerin bestimme.
Im Übrigen könne das Institut der Drittschadensliquidation nicht zugunsten eines Dritten Anwendung finden, wenn dieser (vermeintlich) seiner Anspruchstellung sich begeben oder gar auf diese verzichtet habe.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils (gänzlich) abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die Empfängerin einen eigenen Anspruch aus dem Konnossement gegen die Beklagte nicht habe. Die Parteien des Seefrachtvertrages hätten im Einverständnis mit der Empfängerin das Konnossementrechtsverhältnis einverständlich aufgehoben, indem der Transport nach Auftreten des Schadens in G. abgebrochen worden sei und das Gut von der Beklagten auf Weisung des Befrachters ohne Vorlage...