Leitsatz (amtlich)

Die werbliche Angabe "Früher Typ-2-Diabetes, Heute: Typ-Frohnatur" für ein Lebensmittel verstößt gegen das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung für Lebensmittel gemäß Art. 7 Abs. 3 LMIV, weil das beworbene Lebensmittel gerade in Bezug auf Typ-2-Diabetiker beworben wird und schon dadurch der Eindruck vermittelt wird, dass das Lebensmittel Eigenschaften aufweist, welche positive Wirkungen bezüglich der Diabetes-Erkrankung aufweist. Für das Verkehrsverständnis von der Angabe ist nicht allein auf die Zielgruppe der Typ-2-Diabetiker abzustellen, sondern auf das allgemeine Publikum. Selbst Diabetes-Erkrankte können es für möglich halten, dass sich das Lebensmittel in Bezug auf ihre Erkrankung positiv für sie auswirkt.

 

Normenkette

LMIV Art. 7 Abs. 3; UWG §§ 3, 3a, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 411 HKO 25/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.07.2019, Az. 411 HKO 25/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt krankheitsbezogener Werbung für ein Lebensmittel auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin hat die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 8.3.2019 erwirkt, mit welcher der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten worden ist,

im geschäftlichen Verkehr für das Produkt "L." mit den Aussagen zu werben und/oder werben zu lassen:

1. "Früher Typ-2-Diabetes

Heute: Typ-Frohnatur"

und/oder

2. "Mit L. können Typ-2-Diabetiker einfach und natürlich ihr Gewicht reduzieren"

und/oder

3. "Empfohlen von diabetesDE

Deutsche Diabetes Hilfe",

wenn dies jeweils geschieht wie in Anlage A

und/oder

4. "Diabetes im Griff - Durchbrechen Sie mit L. den Teufelskreis. Gewichtsreduktion ist der erste Schritt zum langfristigen Erfolg. Typ-2-Diabetes ist eine lebensstilbedingte Erkrankung, die oft durch eine kalorienreiche Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel verursacht wird. Bei vielen Typ-2-Diabetikern verbessern sich nach Gewichtsabnahme die Blutzuckerwerte. Mehrere neue Studien zeigen, dass die Erkrankung durch eine Änderung des Lebensstils, bewusste Ernährungsumstellung und eine konsquente Gewichtsreduktion positiv beeinflusst wird. Die im Fachjournal,The Lancet' veröffentlichten Daten der Diabetes Remission Clinical Trial (DiRECT)* zeigen, dass sogar eine Remission erreicht werden kann."

und/oder

5. "Formuladiäten - ein alternativer Behandlungsansatz bei Typ-2-Diabetes",

wenn dies jeweils geschieht wie in Anlage B.

Wegen der Verbindungsanlagen der einstweiligen Verfügung wird auf die Anlagen ASt 1 (= Anlage A) bzw. ASt 2 (= Anlage B) Bezug genommen. Hinsichtlich einer weiteren Aussage hatte die Antragstellerin zuvor ihren Verfügungsantrag zurückgenommen.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht mit Urteil vom 23.7.2019 die einstweilige Verfügung zu Ziffer 3 aufgehoben und den diesbezüglichen Verfügungsantrag zurückgewiesen. Im Übrigen hat es die einstweilige Verfügung bestätigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts vom 23.7.2019 Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Sie vertritt die Auffassung, die streitgegenständlichen Werbungen verstießen nicht gegen Art. 7 Abs. 3 LMIV. Die Werbung richte sich ausschließlich an Typ-2-Diabetiker, sodass nur diese Gruppe für das Verständnis der streitgegenständlichen Werbung maßgeblich sei. Typ-2-Diabetiker wüssten, dass Lebensmittel wie das beworbene L. nicht zu einer Heilung ihrer Krankheit führten, sie verständen die Werbung deshalb auch nicht in diesem Sinne. Der Wegfall der DiätVO führe dazu, dass Diabetikern nicht immer klar sei, dass sie nunmehr auf allgemeine Lebensmittel zurückzugreifen hätten, weil es die (allgemeinen) diätetischen Lebensmittel nicht mehr gebe; es bestehe insoweit ein Informationsbedarf, welchem die Werbung diene. Die Bewerbung einer Gewichtsreduktion durch die Verwendung von L. sei - unstreitig - von einem zugelassenen Health-Claim gedeckt; deshalb sei auch die vorliegende Werbung zulässig. Dass sich die Werbung speziell an Typ-2-Diabetiker richte, sei nicht zu beanstanden. Allein dieser Umstand lasse nicht den Schluss zu, dass suggeriert werde, dass die Grundkrankheit mit dem entsprechenden Lebensmittel behandelt werden solle.

Die mit dem Antrag zu 1 angegriffene Aussage ("Früher: Typ-2-Diabetes, Heute: Typ-Frohnatur") treffe keine Aussage, die sich auf den menschlichen Körper beziehe. Mit einer "Frohnatur" sei auch kein gesunder Typ-2-Diabetiker gemeint. Die mit dem Antrag zu 2 beanstandete Aussage ("Mit L. können Typ-2-Diabetiker einfach und natürlich ihr Gewicht reduzieren") sei nicht zu beanstanden, weil insoweit auf eine zugelassene Zweckbestimmung (Gewichtsreduktion) Bezug genommen werde. Die bloße Nenn...

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