Entscheidungsstichwort (Thema)

Lebensmittelwerbung mit Krankheitsbezug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Werbung (hier: durch Wiedergabe von Äußerungen Dritter) für ein Streichfett mit cholesterinsenkender Wirkung ist unzulässig, wenn sie sich auf die durch das Lebensmittel erfolgende Beseitigung oder Linderung von Krankheiten bezieht. Bei einem Werbehinweis auf die erzielte „deutliche” Senkung des Cholesteringehalts ist der Krankheitsbezug gegeben (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG).

Weder die Etikettierungs-Richtlinie 79/112/EWG noch die Diät-Rahmenrichtlinie 89/398/EWG stehen dem Verbot entgegen. Der Umstand, dass der Hersteller des Streichfetts wegen einer Entscheidung der EU-Kommission gehalten ist, auf die cholesterinsenkende Bestimmung des Lebensmittels auch in der Werbung hinzuweisen, rechtfertigt die beanstandete Angabe zur „deutlichen” Senkung nicht.

2. Es besteht aber insoweit kein generelles Werbeverbot. Nicht jede werbliche Wiedergabe von Äußerungen Dritter, die das beworbene Streichfett anwenden, ist eine nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 (oder Nr. 1) LMBG unzulässige Lebensmittelwerbung mit Krankheitsbezug.

 

Normenkette

LMBG § 18 Abs. 1 Nr. 4; UWG §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2; EU-Richtlinien § 79/112; EWG § 89/398/EWG

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 416 O 289/00)

 

Tenor

Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 2.2.2001 abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall bis zu 500.000 DM, Ordnungshaft insgesamt höchsten zwei Jahre) verboten,

im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „becel pro-aktiv” zu werben mit Aussagen von Anwendern des Mittels oder Hinweisen auf solche Aussagen, und zwar mit der Abbildung einer männlichen Person und deren Aussage:

„Ich konnt's kaum glauben, aber mein Cholesterin ist deutlich runter gegangen”.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen der Antragsteller 1/5 und die Antragsgegnerin 4/5.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 30.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Einhaltung des lauteren Wettbewerbs gehört (Bl. 2; Anlage ASt A 1).

Die Antragsgegnerin ist ein Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie, sie vertreibt die Diät-Halbfettmargarine „becel pro-aktiv”, ein Produkt mit Pflanzensterinen (Phytosterinen; vgl. Schutzschrift Anlage AG S 1). Hierfür warb sie in der Illustrierten BUNTE vom 19.10.2000 (Heft Nr. 43, S. 91), mit einer Anzeige. Diese enthält die Abbildung eines Mannes mit zwei Kindern, eingeblendet ist dort der Text:

„Ich konnt's kaum glauben, aber mein Cholesterin ist deutlich runter gegangen. Robert Aurisch, 38, Vater von vier Kindern”.

Unter der Abbildung heißt es: „becel pro-aktiv. Für alle, die ihren Cholesterinspiegel erheblich senken wollen” (Anlage ASt A 2)

Der Antragsteller beanstandet die Werbung als wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 LMBG und nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 2.2.2001 den Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „becel pro-aktiv” zu werben mit Aussagen von Anwendern des Mittels oder Hinweisen auf solche Aussagen, insbesondere mit der Abbildung einer männlichen Person und deren Aussage:

„Ich konnt's kaum glauben, aber mein Cholesterin ist deutlich runter gegangen”;

zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragstellers, der seinen erstinstanzlichen Verfügungsantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Antragstellers ist teilweise begründet, insoweit ist die einstweilige Verfügung – unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils – zu erlassen (II.) Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen (III.).

Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Werben für „becel pro-aktiv”, und zwar im „insbesondere”-Teil mit der Abbildung einer männlichen Person und deren Aussage: „Ich konnt's kaum glauben, aber mein Cholesterin ist deutlich runter gegangen” (s. unter II.) und im verallgemeinerten Teil (vor dem „insbesondere”) mit Aussagen von Anwendern des Mittels oder Hinweisen auf solche Aussagen (vgl. hierzu unter III.).

Gegenstand des Antrages ist nicht die Verwendung der Anzeige der Antragsgegnerin, die den Antragsteller zur Einleitung des Verfügungsverfahrens veranlasst hat (Anlage ASt A 2). Deswegen kann zur Begründung des Unterlassungsanspruchs nicht die zusätzliche Angabe aus der Werbeanzeige („F...

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