Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderlichkeit einer Mammographie zur Krebsvorsorge bei 43-Jährigen nur bei Vorliegen einschlägiger Risikofaktoren
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Mammographie zur Krebsvorsorgeuntersuchung war nach dem Erkenntnisstand im Jahre 1999 bei einer Patientin im Alter von 43 Jahren nur veranlasst, wenn einschlägige Risikofaktoren vorgelegen haben. Das Vorliegen eines Magen- und eines Uteruskarzinoms in der Familienanamnese stellte - anders als ein Mamma- oder Ovarialkarzinom - keinen signifikanten Risikofaktor dar.
2. Lassen sich angesichts der erheblichen Variationsbreite des Tumorwachstums keine Angaben dazu machen, ob bei der Durchführung einer Mammographie ein positiver Befund seinerzeit zumindest wahrscheinlich gewesen wäre, so fehlt es an dem Nachweis der Kausalität zwischen dem Unterlassen der Mammographie und dem unerkannt gebliebenen Fortschreiten der Erkrankung, soweit der Patientin keine Beweiserleichterungen zugute kommen.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 24.04.2003; Aktenzeichen 323 O 209/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 23, vom 24.4.2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer ihrer Ansicht nach fehlerhaft durchgeführten Krebsvorsorgeuntersuchung im September 1999 auf Schadensersatz in Anspruch.
Zu einer ersten Krebsvorsorgeuntersuchung suchte die am 2.12.1956 geborene Klägerin die beklagte Fachärztin für Frauenheilkunde am 26.9.1996 auf. Für diesen Termin ist in der die Klägerin betreffenden Karteikarte der Beklagten "o.B." notiert. Am 16.8.1999 kam die Klägerin erneut in die Behandlung der Beklagten, und zwar im Rahmen eines Notfalls. Die Regelblutung war ausgeblieben, es bestand der Verdacht einer Schwangerschaft. Im Rahmen weiterer Untersuchungstermine am 23.8. und am 7. bzw. 8.9.1999 standen die Schwangerschaft und damit im Zusammenhang stehende Probleme im Vordergrund.
Am 9.9.1999 wurde bei der Klägerin in einer gynäkologischen Klinik eine Kürettage durchgeführt.
Am 13.9.1999 kam es zu einem weiteren Behandlungstermin der Klägerin bei der Beklagten, in welchem die Nachsorge bezüglich des "Abortus incipiens/incompletus" besprochen wurde.
Unter dem 21.9.1999 sind in der Karteikarte der Beklagten zum einen eine Untersuchung und Beratung der Klägerin im Nachgang zu dem Abort und der Kürettage vermerkt und zum anderen Angaben zu einer Krebsvorsorgeuntersuchung enthalten. Danach waren die Befunde bezüglich der Genitalien normal bzw. ohne Befund und auch bezüglich der Mammae zeigte die palpatorische Untersuchung keinen pathologischen Befund; Gleiches galt auch für die Axillae beiderseits. Des Weiteren ist in den Krankenunterlagen der Beklagten ein vom 22.9.1999 datierender Bogen bezüglich einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung enthalten (vgl. Anl. B 3). Darauf befindet sich auch der von den Frauenärzten Dr. M. und Dr. S. erstellte zytologische Befund, der mit "pap II 3-4" in die Karteikarte der Beklagten übertragen worden ist.
Unter dem 7.6.2000 ist in der die Klägerin betreffende Karteikarte der Beklagten vermerkt: "Wg. 1 1/2 Stunden ca. Wartezeit gegangen".
Im Januar 2001 stellte sich die Klägerin bei der Frauenärztin Dr. F. vor und ließ bei ihr eine Krebsvorsorgeuntersuchung durchführen. Per Tastbefund wurde an der Außenseite der linken Brust eine Verhärtung festgestellt, die eine Überweisung zur Mammographie in die Praxis Dres. B. nach sich zog. Es ergab sich der Verdacht auf ein Mammakarzinom links außen ohne erkennbare Beteiligung der axillären Lymphdrüsen. Am 29.1.2001 wurde im Krankenhaus E. ein malignomer Tumor mit der Klassifikation pT3, pN1 biv. RO, G III festgestellt.
Im Anschluss an die Operation wurden bei der Klägerin zunächst eine ambulante und später eine stationäre Chemotherapie durchgeführt. Rezidive sind bisher nicht festgestellt worden.
Die Klägerin wirft der Beklagten in erster Linie vor, bei ihr keine Mammographie veranlasst bzw. sie nicht zumindest auf die nahe liegende Möglichkeit einer solchen diagnostischen Methode hingewiesen zu haben.
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die Beklagte die Krebsvorsorgeuntersuchung, die entgegen der Eintragung in der Karteikarte nicht am 21.9., sondern am 22.9.1999 stattgefunden habe, nicht korrekt vorgenommen habe. Die Beklagte habe die bei ihr gegebenen Risikofaktoren nicht hinreichend berücksichtigt. Die Familienanamnese sei nicht korrekt durchgeführt worden. Jedenfalls bei einer ihrer Großmütter habe ein Unterleibskrebs vorgelegen, der auch ein Ovarialkarzinom gewesen sein könnte und deswegen als ein Risikofaktor ...