Leitsatz (amtlich)
1. Werden beim EU-Parallelimport von markenrechtlich geschützten Packungen eines Arzneimittelherstellers (hier: mit Ostomie-Artikeln) die produktidentifizierenden Herstellerangaben der Produkt- und Chargennummern - REF - und LOT-Nummern - überklebt, so tritt wegen des unnötigen Packungseingriffs keine markenrechtliche Erschöpfung ein. Der Parallelimporteur kann seine Angaben an anderer Stelle der Packung anbringen, etwaige Fehler beim Neubeschriften der überklebten REF- und LOT-Nummern würden vermieden.
2. Zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs, wenn der Parallelimporteur beim Abverkauf unter gleichem Verkaufspreis nicht nach überklebten Packungen einerseits und nach unverändert verkauften, bereits im Ursprungsland mehrsprachig aufgemachten Einheiten andererseits unterschieden hat und als Auskunft nur Gesamtangaben zu der Menge, den Abnehmern und Umsätzen sowie eine anteilige Schätzung mitteilt.
Normenkette
GMV Art. 9 Abs. 1a, 2, Art. 13; MarkenG §§ 14, 19, 24
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 08.03.2005; Aktenzeichen 312 O 1133/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 8.3.2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage mit den in der Berufungsverhandlung gestellten Klageanträgen zu IV. und V. abgewiesen wird.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Beschluss des LG Hamburg vom 8.2.2005 zur Streitwertfestsetzung (auf zunächst 252.072 EUR) wird folgendermaßen ergänzt: Nach der teilweisen Erledigungserklärung vom 8.2.2005 ermäßigt sich der Streitwert für die erste Instanz auf insgesamt 30.000 EUR.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin produziert und vertreibt u.a. Produkte zur Stomaversorgung (Ostomieartikel); das sind Beutel und Zubehörprodukte zum Auffangen und Ableiten von Körperausscheidungsstoffen bei künstlichen Darm- oder Blasenausgängen.
Die Beklagten zu 1) und zu 2) - Schwesterunternehmen, die Beklagte zu 1) ist das beherrschende Unternehmen - sind Parallelimporteure. Die Beklagten zu 3), zu 4) und zu 5) sind Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Beklagten zu 3) und zu 4) sind außerdem Geschäftsführer der Beklagten zu 2).
Die Beklagten zu 1) und zu 2) vertreiben im Wege des Parallelimports u.a. N....-Ostomieartikel der Klägerin. Die Klägerin beanstandet das Umkonfektionieren der Packungen in mehrfacher Hinsicht als Markenrechtsverletzung und nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage deswegen auf Unterlassung, auf Herausgabe der Produkte zur Vernichtung, auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sowie auf Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch.
Im Berufungsrechtszug geht es nur noch um Anträge zu IV. und zu V. auf Auskunftserteilung.
Die Klägerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke (Bildmarke) "n-..." Nr. 77 ..., eingetragen u.a. für Krankenhaus-, chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche sowie Ostomie-Instrumente und Apparate sowie Erzeugnisse, Dichtungsmaterial, Schutzcremes, Kupplungsringe, Ostomiegürtel, Klemmen, Scheiben, Beutel, Drainagebeutel, Schlauchanschlussstücke, Stomaklappen, Spülungssysteme ("Klagemarke" - Anlage K 1).
Die N-...-Beutel der Klägerin werden direkt am Körper des Patienten getragen. Die Klägerin versieht ihre Produkte mit Artikel- und Chargennummern, um etwaige Rückrufe zu ermöglichen. Die Artikelnummer beginnt jeweils mit der vorangestellten Abkürzung "REF" und bestimmt den jeweiligen Artikel u.a. nach Art, Größe und Ausstattung. Die Chargennummer weist zu Beginn jeweils die Buchstabenfolge "LOT" auf und kennzeichnet die Produktionsstätte und Herstellungszeitpunkt des Produkts (zu allem: Bl. 12, Anlage K 10).
Die Beklagten zu 1) und zu 2) bieten die von ihnen parallelimportierten N-...-Stomaartikel der Klägerin bundesweit und über das Internet beziehbar an (Anlage K 2).
Die von den Beklagten parallelimportierten und umgepackten N-...-Produkte waren mit Gebrauchshinweisen versehen, die die Beklagten neu hergestellt und den Packungen - ohne die Klägerin zu informieren - an Stelle der Original-Beilagen beigefügt hatten. Die Packungen enthielten außerdem keinen Hinweis auf den Umpackvorgang und die Angaben der Klägerin zu den Artikel- und Chargennummern waren überklebt (Anlagen K 3a und K 3b).
Die Klägerin mahnte die Beklagten zu 1) bis 5) deswegen mit zwei Schreiben jeweils vom 16.6.2004 ab (Anlage K 5 - zwei Schreiben). Die Beklagten gaben schließlich hinsichtlich der beanstandeten Gebrauchshinweise und des fehlenden Umpackhinweises eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab (vgl. wegen des Wortlauts das Zitat im Klageantrag zu V.) und erka...