Leitsatz (amtlich)
1. Zur wettbewerblichen Eigenart einer sogenannten Toilettenhilfe.
2. Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann vom Gericht nicht nur unter Berücksichtigung der ggfls. im Antrag angeführten Produktmerkmale und der Produktbeschreibung in der Klageschrift, sondern auch anhand der eingereichten Produktabbildungen sowie der Inaugenscheinnahme des Produkts selbst hinreichend beurteilt werden.
3. Der Annahme einer wettbewerblichen Eigenart eines Produktes steht es nicht entgegen, wenn ihm Wettbewerbsprodukte zwar hochgradig ähnlich sind, jene Produkte aber im Inland nicht oder nicht in relevantem Umfang vertrieben werden.
4. Im Falle einer nahezu identischen Nachahmung wird eine Herkunftstäuschung durch eine vom Verkehr als Händlerkennzeichen erkannte Kennzeichnung des Nachahmerprodukts ebensowenig vermieden wie durch ein dem Produktnamen des nachgeahmten Produkts ähnliches Kennzeichen, wenn beide Zeichen einen den Gebrauchszweck des Produkts beschreibenden Anklang haben.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 3 Buchst. a, b, § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 03.05.2017; Aktenzeichen 406 HKO 10/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.05.2017, Az. 406 HKO 10/17, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Bullet-Points 4 und 5 in der Beschreibung der Gestaltungsmerkmale des Produktes entfallen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 2. ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des Landgerichts ist hinsichtlich dessen Ziffer 1., 3., 5. und 7. ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung zu Ziffer 1. des Urteils des Landgerichts (Unterlassungsanspruch) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 EUR sowie zu Ziffer 5. des Urteils des Landgerichts (Auskunft) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 EUR abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung zu Ziffer 3. (Abmahnkosten) und 7. (Kosten) des Urteils des Landgerichts und Ziffer 2. dieses Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem jeweiligen Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte wegen des Vertriebs sog. Toilettenhilfen. Bei diesen Produkten handelt es sich um Hilfen zur Reinigung des Vaginal- und Analbereichs, in die Toilettenpapier eingeklemmt werden kann und die damit auch Menschen mit Bewegungseinschränkungen die Reinigung ohne fremde Hilfe ermöglichen.
Die Klägerin ist eine englische Limited mit Sitz in ... England (vgl. Anlage K 21), die sich berühmt im Jahr 2005 eine Toilettenhilfe entwickelt und diese seit dem Jahr 2006 unter dem Namen "easywipe" unter anderem auch in Deutschland vertrieben zu haben (vgl. Anlage K 1). Diese Toilettenhilfe war seit dem Jahr 2010 auch als mobile Version mit einem in der Mitte zusammenklappbaren Stab erhältlich (vgl. Anlage K 3).
Die Beklagte betreibt im Inland einen Großhandel im Gesundheitswesen und unterhält diesbezüglich auch zwei Webshops (vgl. Anlagen K 11 und K 13). Sie vertreibt, was die Klägerin beanstandet, die angegriffene Toilettenhilfe unter der Bezeichnung "Comfort Wipe" (vgl. Anlage K 6).
Von 2009 bis 2014 vertrieb die Beklagte als Großhändlerin die Toilettenhilfen der Klägerin an Abnehmer im Inland, darunter auch an Versandhandelsunternehmen (vgl. Klageschrift S. 10/11). Die Firma W., die in der Vergangenheit die Toilettenhilfe "easywipe" vertrieben hatte, lieferte bei unveränderter Produktbeschreibung auf einen Testkauf der Klägerin die streitgegenständliche Toilettenhilfe der Beklagten (vgl. Anlagen K 7 bis K 10). Auch die Firma BB. GmbH & Co. KG wechselte ohne Änderung der Produktdarstellungen auf das Produkt der Beklagten (vgl. Anlage K 18). Auf ihrem eigenen Webshop bewarb die Beklagte die von ihr vertriebene streitgegenständliche Toilettenhilfe u.a. wie folgt:
"Comfort Wipe aus dem Hause R. steht der Easywipe in nichts nach und besticht durch seine ergonomische Form.".
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Toilettenhilfen der Beklagten stellten eine unlautere Produktnachahmung ihres Produkts "easywipe" dar und nutzten dessen guten Ruf in unzulässiger Weise aus. Sie ließ die Beklagte abmahnen mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 (vgl. Anlage K 19).
Die Klägerin hat behauptet, ihr stünden als Herstellerin die mit der Klage geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zu. Unter der im Internet angegebenen Adresse im ... unterhalte sie ein Büro. Diese Adresse sei auch auf der Verpackung ihrer Toilettenhilfe angegeben (vgl. Anlage K 22).
In der Sache hat die Klägerin geltend gemacht, ihre Toilettenhilfe verfüge über wettbewerbliche Ei...