Leitsatz (amtlich)
1. Original-Markenhemden, die für den außereuropäischen Markt bestimmt sind, können auch durch einen unautorisierten Dritten im Inland vertrieben werden, wenn das Markenrecht erschöpft ist (§ 24 MarkenG). Das hierfür erforderliche Inverkehrbringen einer Ware im Inland (in der Europäischen Union) kann durch eine entsprechende eigene Benutzungshandlung des Markeninhabers oder durch Handlungen Dritter mit seiner Zustimmung erfolgen.
2. Beim erstmaligen Inverkehrbringen der Ware in der Europäischen Union durch den Markeninhaber selbst ist für die Erschöpfung nicht zusätzlich auf die Zustimmung des Markeninhabers zu einem Inlandsvertrieb durch Dritte abzustellen. Deswegen ist das Markenrecht erschöpft, wenn der Markeninhaber (Verkäufer) beim Verkauf der Ware diese körperlich im Inland unter Verlust seiner Verfügungsgewalt an den Spediteur des Käufers übergibt (hier: „ex works Passau), auch wenn der Käufer sich vertraglich verpflichtet hat, die Ware in Mexiko zu verkaufen und nicht in der Europäische Union.
3. Werden in so einem Fall aus den Hemden die Marken entfernt (im Innenteil des Kragenausschnitts), so ist das als solches kein markenrechtlicher Verletzungstatbestand.
Normenkette
MarkenG §§ 14, 24
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 06.03.2002; Aktenzeichen 416 O 29/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 19.4.2002 abgeändert.
Die Beschlussverfügung des LG Hamburg vom 6.3.2002 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Verfügungsantrag in der in der Berufungsverhandlung gestellten Fassung wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Gründe
A. Die Antragstellerin produziert und vertreibt Herrenhemden unter den Bezeichnungen B.-… und B.-… SUPRA. Sie ist Inhaberin der Marken B.-… und B.-…SUPRA (Anlage ASt 1).
Die Antragsgegnerin betreibt bundesweit die M.-Großhandelsmärkte. Sie warb in ihrer M.-Post für den Verkauf von B.-…-SUPRA-Hemden (Anlage ASt 2). Deren Vertrieb beanstandet die Antragstellerin als markenverletzend, sie nimmt die Antragsgegnerin deswegen im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.
Bei den von der Antragsgegnerin angebotenen Hemden handelt es sich um Ware, die die Antragstellerin an das mexikanische Unternehmen E.AM.-… (im folgenden: Firma E.AM-Mexiko) veräußert hat (Anlage ASt 3), wobei die Hemden auf Bitte des mexikanischen Erwerbers für ein mit der Firma E.AM-Mexiko verbundenes, auf den Virgin Islands domizilierendes Unternehmen, die E.AM.-… (im folgenden: Firma E.AM-Virgin-Islands) fakturiert wurden (Anlage ASt 4). Die Lieferung der Hemden erfolgte durch einen von der Firma E.AM-Mexiko beauftragten Spediteur ab Werk der Antragstellerin in Passau. Ausweislich des CMR-Frachtbriefs war als Auslieferungsort Genua, Italien vorgesehen (Anlage ASt 6). Nach dem Vorbringen der Antragstellerin sollte die Ware von Genua zu den British Virgin Islands verschifft werden.
Mit dem Urteil vom 19.4.2002 hat das LG seine Beschlussverfügung vom 6.3.2002, bestätigt, mit der der Antragsgegnerin
1. unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Hemden der Marke „B.-…” bzw. der Marke „B.-… SUPRA” einzuführen oder einführen zu lassen oder anzubieten oder anbieten zu lassen oder zu vertreiben oder vertreiben zu lassen oder dafür zu werben oder werben zu lassen, die nicht von der Antragstellerin oder mit deren Zustimmung durch Dritte in der Bundesrepublik Deutschland, einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind und/oder bei denen das im Innenteil des Kragenausschnittes angebrachte Markenetikett nachträglich entfernt worden ist;
2. aufgegeben worden ist, alle in ihren sämtlichen Filialen vorhandenen Hemden der Marken „B.-…” bzw. „B.-… SUPRA”, die nicht von der Antragstellerin oder mit deren Zustimmung durch Dritte in der Bundesrepublik Deutschland, einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind und/oder bei denen das im Innenteil des Kragenausschnittes angebrachte Markenetikett nachträglich entfernt worden ist, an den für den Geschäftssitz bzw. den Sitz der jeweiligen Filiale zuständigen Gerichtsvollzieher als Sequester zur Sicherstellung des Vernichtungsanspruchs der Antragstellerin herauszugeben. Soweit im Urteilsausspruch des LG zur Beschlussverfügung das Aktenzeichen „416 O 11/02” genannt ist, handelt es sich um einen Schreibfehler, es muss richtig heißen: „416 O 29/02”. Auf das Urteil wird Bezug genommen.
Gegen das Urteil des LG richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, mit der sie die Aufhebung der Beschlussverfügung und die Zurückweisung der auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsanträge verfolgt.
Die Antragstellerin verteidigt das landgerichtliche Urteil...