Leitsatz (amtlich)

In der Regel sind Kosten, die einem Befreiungsgläubiger in einem Vorprozess entstanden sind, im nachfolgenden Prozess gegen den Befreiungsschuldner als Nebenforderungen i.S.d. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 24.05.2007; Aktenzeichen 415 O 114/06)

 

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des LG Hamburg vom 24.5.2007 (415 O 114/06) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin richtet sich dagegen, dass das LG bei der Bemessung des Streitwerts des Befreiungsanspruchs die Kosten des Vorprozesses nicht berücksichtigt hat (bestehend aus den Kosten der Klägervertreter und der Beklagtenvertreter im Vorprozess sowie den Gerichtskosten des Vorprozesses). Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben die Kosten des Vorprozesses nicht beziffert. Nach der beigezogenen Akte des Vorprozesses (415 O 42/06) hat die dortige Klägerin Anwaltskosten von 2.635 EUR geltend gemacht (1,3 Verfahrensgebühr, 1,2 Terminsgebühr nach einem Streitwert bis 50.000 EUR, ferner Postpauschale, ohne MWSt. wegen Vorsteuerabzugsberechtigung). Es ist davon auszugehen, dass an Anwaltskosten für die Beklagte des Vorprozesses derselbe Betrag angefallen ist. An Gerichtskosten sind EUR 1.499,50 angefallen, so dass es insgesamt um EUR 6.769,50 geht. Hiervon mag es (wegen etwaiger Reisekosten o. Ä) geringfügige Abweichungen geben. Dies kann aber dahingestellt bleiben, weil ein Gebührensprung (bei 50.000 EUR) in jedem Fall überschritten werden würde, der nächste Gebührensprung (bei 65.000 EUR) in keinem Fall.

Die Beschwerde ist gem. § 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 GKG zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert von EUR 200 (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) erreicht. Maßgeblich ist die Gebührendifferenz für die Gebühren der Beschwerdeführer. Bei einem Streitwert (wie vom LG festgesetzt) bis 50.000 EUR beträgt eine Gebühr nach dem RVG 1.046 EUR. Bei einem Streitwert bis 65.000 EUR beträgt eine Gebühr nach dem RVG 1.123 EUR. Die Differenz beträgt EUR 77. Bei insgesamt 2,5 Gebühren (1,3 Verfahrensgebühr und 1,2 Terminsgebühr) beträgt die Gebührendifferenz 192,50 EUR. Hinzuzurechnen ist aber noch die Umsatzsteuer, weil sie Teil des Anwaltshonorars ist (Nr. 7008 der Anlage zum RVG; vgl. OVG Hamburg AnwBl. 1981, 501; Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 32, Rz. 28; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 32 RVG, Rz. 17). Der Beschwerdewert beträgt daher 229,08 EUR.

Die Frist der §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG ist eingehalten.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist aber unbegründet.

Nach Auffassung des Senats sind die Kosten des Vorprozesses zum Streitwert nicht hinzuzurechnen, sondern bleiben als Nebenforderungen gem. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO unberücksichtigt.

Diese Rechtsfrage ist allerdings umstritten. In einer älteren Entscheidung des BGH heißt es, dass bei einer Klage auf Befreiung von einer Verbindlichkeit Zinsen des Anspruchs, von dem Befreiung begehrt wird, "Nebenforderungen" des Befreiungsanspruchs sind und daher bei dessen Wertfestsetzung unberücksichtigt bleiben (BGH NJW 1960, 2336). Begründet wird dies mit dem Sinn und Zweck des § 4 ZPO, der dahin geht, dass eine praktische, einfache und klare Wertermittlung ohne umständliche und zeitraubende Untersuchungen oder gar Beweiserhebungen ermöglicht wird. Die Entscheidung des BGH ist zwar ausdrücklich nur zu Zinsen ergangen. Aus der Formulierung "Denn Nebenforderungen des Anspruchs, von dem Befreiung begehrt wird, sind auch Nebenforderungen des Befreiungsanspruchs" kann man aber schließen, dass die Ausführungen des BGH auch für Kosten gelten sollen. Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat (auch für die Kosten des Vorprozesses) bereits in dem vom LG zitierten Beschluss vom 6.2.2004 (6 W 7/04) angeschlossen. Der Senat hält daran auch weiterhin fest.

Aus dem Urteil des BGH 21.1.1976 (MDR 1976, 649, 650) folgt nach Auffassung des Senats nichts anderes. In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilter Versicherungsnehmer gegen seinen Haftpflichtversicherer auf Befreiung von der Urteilssumme und den zugunsten des Geschädigten festgesetzten Kosten geklagt. In einem solchen Fall sind nach Auffassung des BGH die festgesetzten Kosten dem Streitwert hinzuzurechnen. Der BGH begründet dies damit, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen seinen Haftpflichtversicherer, ihn von seiner Verpflichtung zur Zahlung der nach verlorenem Haftpflichtprozess festgesetzten Kosten zu befreien oder ihm diese zu ersetzen, sofern er sie selbst schon entrichtet hat, keine Nebenforderung zum Versicherungsschutzanspruch, sondern ein wesentlicher hauptsächlicher Bestandteil dieses Anspruchs selbst sei. Die Kostenerstattungspflicht des Versicherers sei eine Folge seiner Rechtsschutzgewährungspflicht, die gleichrangig neben der Pflicht stehe, den Versicherungsnehmer von begründeten Schadensersatzansprüchen de...

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