Leitsatz (amtlich)
1. Die Nichtbenutzungseinrede ist unbegründet, wenn sie sich lediglich darauf stützt, dass der eingetragenen Klagmarke jegliche Unterscheidungskraft fehle, weil sie einen lediglich beschreibenden Inhalt habe, dies aber nicht festgestellt werden kann.
2. Wird die Nichtbenutzungseinrede erstmals in einem nachgelassenen Schriftsatz bezogen auf in erster Instanz zuvor unstreitig gebliebene Benutzungshandlungen erweitert und ist dies im erstinstanzlichen Urteil zu Recht gemäß § 296a ZPO unberücksichtigt geblieben, dann ist dieses neue Verteidigungsmittel nicht zuzulassen, wenn keiner der in § 531 Abs. 2 ZPO genannten Umstände vorliegt.
3. Zwischen der für "pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel" eingetragenen Marke "Candecor" und dem für diätetische Lebensmittel verwendeten Zeichen "CANEACOR" besteht Verwechslungsgefahr.
4. Pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel einserseits sowie diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke andererseits weisen einen medizinischen Verwendungszweck auf, der die Annahme durchschnittlicher Warenähnlichkeit rechtfertigen kann.
Normenkette
BGB § 242; MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5-6, § 19; ZPO §§ 296a, 531 Abs. 2
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. September 2016 (312 O 587/15) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte zu 1) zu 70 % und die Beklagte zu 2) zu 30 % zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung zu Ziffer 2 dieses Urteils sowie zu Ziffern I.6, I.7 und III des Urteils des Landgerichts durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieser Ziffern der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung des Urteils des Landgerichts zu Ziffer I.1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000,00, zu Ziffern I.2, I.3 und I.4 durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils EUR 5.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung des Urteils des Landgerichts zu Ziffer II.1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,00 und zu Ziffer II.2 durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 25.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer Marke "Candecor" u. a. auf Unterlassung in Anspruch.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein nach slowenischem Recht verfasstes Unternehmen, das pharmazeutische Präparate entwickelt, herstellt und vertreibt. Sie ist Inhaberin der am 23.7.2008 angemeldeten und am 9.12.2008 eingetragenen deutschen Wortmarke "Candecor", die in der Klasse 5 für "pharmazeutische Erzeugnisse, Arzneimittel" Schutz beansprucht. Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage K1 zur Akte gereichten Registerauszug Bezug genommen. Diese Marke wird mit Zustimmung der Klägerin von einer ihrer Tochtergesellschaften, der A. GmbH in Cuxhaven, für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel zur Behandlung von Hypertonie (Bluthochdruck) benutzt, das in Deutschland in verschiedenen Packungsgrößen und Darreichungsformen erhältlich ist.
Die Beklagte zu 1) ist Herstellerin von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln. Die Beklagte zu 2) ist mit der Beklagten zu 1) gesellschaftsrechtlich oder wirtschaftlich verbunden. Beide haben dieselbe Geschäftsanschrift und denselben Geschäftsführer.
Am 27.3.2015 meldete die Beklagte zu 1) die deutsche Wortmarke "Caneacor" für Waren der Klassen 5 und 29 an. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die als Anlage K3 zur Akte gereichte Kopie des Registerauszugs Bezug genommen. Unter der Bezeichnung "CANEACOR" brachte die Beklagte zu 1) ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr. Auf der Verpackung heißt es: "Ergänzende bilanzierte Diät zur diätetischen Behandlung von erhöhtem Homocysteinspiegel und dadurch bedingten Schädigungen der Blutgefäße, wie bei Diabetis mellitus, Bluthochdruck und erektiler Dysfunktion". Auf der Verpackung ist die Beklagte zu 2) als Hersteller angegeben. Beide Beklagte sind für den Vertrieb des Produkts in Deutschland verantwortlich.
Mit anwaltlichen Schreiben vom 22.10.2015 und vom 12.11.2015 mahnte die Klägerin beide Beklagte ab und forderte sie u. a. zur Abgabe von strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärungen auf. Wegen des Inhalts der Abmahnungen wird auf das Anlagenkonvolut K5 Bezug genommen. Die Beklagten wiesen die geltend gemachten Ansprüche mit anwaltlichen Schreiben vom 29.10. bzw. 17.11.2015 (Anlagenkonvolut K6) zurück.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen V...