Leitsatz (amtlich)
1. Zur Unterscheidung einer Alleinstellungs- von einer Testhinweiswerbung:
Für die Einordnung einer Werbemaßnahme als Alleinstellungsbehauptung oder als Testhinweiswerbung bedarf es einer umfassenden Beurteilung aller für das Verständnis der Werbung maßgeblichen schriftlichen Angaben und grafischen Komponenten, wobei das Gesamtbild der Anzeige zu betrachten und die Wechselwirkung einzelner Bestandteile aufeinander zu bewerten sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob alle Komponenten der Anzeige für die angesprochenen Verkehrskreise optisch erkennbar, in ihrem Aussagegehalt inhaltlich zu verstehen und ihre beabsichtigte Bezugnahme aufeinander zu begreifen sind. Der Wortlaut "im besten Netz" lässt offen, ob es um sich die Wiedergabe eines Testergebnisses handelt oder eine eigene Einschätzung des im Internet für sein Mobilfunknetz Werbenden im Sinne einer Alleinstellungswerbung. Es liegt dann keine Testhinweiswerbung, sondern eine Alleinstellungsbehauptung vor, wenn weder auf derselben Internetseite entsprechende weitere Informationen wie z.B. Testsiegel eingeblendet werden noch ein unmittelbar mit dem fraglichen Teil der Werbung verknüpfter, zu solchen Informationen führender Hinweis erfolgt, sondern Testsiegel nur auf einer nachgeschalteten Internetseite nach einem Klick auf eine in keinem direkten Zusammenhang mit der Angabe "im besten Netz" stehende Schaltfläche "Zu den Angeboten" angezeigt werden.
2. Die in ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgestellten Grundsätze für die Zulässigkeit einer Alleinstellungswerbung gelten auch für den Mobilfunkmarkt. Daher muss der mit einer Alleinstellungsbehauptung werbende Mobilfunkanbieter eine Spitzenstellung im Sinne eines deutlichen Vorsprungs vor seinen Mitbewerbern innehaben, und dieser Vorsprung muss die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bieten (Anschluss an OLG Köln, GRUR-RR 2017, 441 Rn. 41; Abgrenzung zu OLG Frankfurt, BeckRS BeckRS 2014, 123521 Rn. 6 f.). Der durchschnittliche Verbraucher sieht die Werbeaussage "im besten Netz" auch bei einer sehr dynamischen Marktsituation nicht als bloße Momentaufnahme an. Es besteht kein (Rechts-) Grundsatz, wonach in allen Bereichen des Marktes einschließlich sich rasch verändernder Segmente wie dem Mobilfunkmarkt eine Alleinstellungswerbung zulässig sein muss, auch wenn kein Mitbewerber einen deutlichen und aussichtsreich stetigen Vorsprung vor den anderen hat.
3. Für die Beurteilung, ob der Werbende eine Spitzenstellung innehat, ist auf den Zeitpunkt der angegriffenen Werbung abzustellen. Das gilt nicht nur für die Frage nach einem deutlichen Vorsprung, sondern auch für die Frage der Aussicht auf Stetigkeit. Daher können nach Erscheinen der Werbung hinzutretende Tatsachen (hier: die Veröffentlichung weiterer Mobilfunknetztests) allenfalls als Indizien zu berücksichtigen sein.
4. Bei einer nach diesen Maßstäben als unzulässig einzustufenden Alleinstellungsbehauptung entfällt die Wiederholungsgefahr nicht durch die bloße Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, weil eine erneute Veränderung dieser Verhältnisse jederzeit möglich ist. Daher ist unerheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Irreführung auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen oder ob die angegriffene Alleinstellungsbehauptung zu diesem Zeitpunkt zulässig wäre. Anderes könnte nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen eine erneute Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse in sehr hohem Maße als unwahrscheinlich erscheint (hier verneint). Der Grundsatz, dass eine auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsklage nur begründet ist, wenn das beanstandete Verhalten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig gewesen ist als auch noch zum Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig wäre, bezieht sich nicht auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der unlauteren Handlung in tatsächlicher Hinsicht, sondern auf die Rechtslage.
Normenkette
UWG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 18.12.2018; Aktenzeichen 416 HKO 90/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18.12.2018, Az. 416 HKO 90/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung in Bezug auf die Unterlassungsverpflichtung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000,- EUR und in Bezug auf die Kosten in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung der Unterlassungsverpflichtung Sicherheit in Höhe von 55.000,- EUR bzw. vor der Vollstreckung von Kosten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5...