Leitsatz (amtlich)
1. Die Bewerbung eines LTE-Mobilfunknetzes damit, dass es das beste und größte LTE-Netz sei, wird vom Verkehr mangels hinreichend entgegenstehender Erläuterungen dahin verstanden, dass im Hinblick auf die beworbenen Eigenschaften des LTE-Netzes ein deutlicher und dauerhafter Vorsprung des Netzbetreibers vor seinen Wettbewerbern besteht.
2. Liegen einem Test (hier der Qualität eines Mobilfunknetzes) von einem der Anbieter selbst formulierte Qualitätskriterien zugrunde, dann steht jener Test dem Test eines unabhängigen Dritten hinsichtlich Neutralität und Objektivität nicht gleich. Der Werbende darf sich mit dem Ergebnis eines von ihm selbst beauftragten Tests oder einem dort vergebenen Prädikat nicht ohne weitere Nachweise schmücken, sondern seine Spitzenstellungswerbung muss den strengeren Anforderungen an eine zulässige Alleinstellungswerbung genügen. Dies auch dann, wenn der Test durch den TÜV zertifiziert worden ist.
3. Zur Frage der möglichen Irreführung des Verkehrs bei der werblichen Verwendung von TÜV-Siegeln.
4. Der Nachweis für eine beworbene Spitzenstellung ist nicht geführt, wenn der Vorsprung, den der Wettbewerber nach dem Ergebnis eines von ihm in Auftrag gegebenen Tests vor seinen Mitbewerbern hat, bei weiterer Heranziehung von aktuellen Testergebnissen neutraler Dritter tatsächlich nur gering ist.
Normenkette
UWG §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 22.03.2018; Aktenzeichen 403 HKO 15/18) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 3 für Handelssachen, vom 22. März 2018, Geschäfts-Nr. 403 HKO15/18, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Antragsgegnerin zur Last.
Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. März 2018 und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.
Die Parteien sind bekannte T. Kommunikationsunternehmen, die bundesweit Dienstleistungen im Bereich Festnetz und Mobilfunknetz anbieten (Anlagen AST 2 und AST 3).
Die Qualität der Mobilfunknetze der Parteien und der weiteren Wettbewerber sind bereits mehrfach Gegenstand von Tests in Fachzeitschriften gewesen. Anfang des Jahres 2018 wurden die Mobilfunknetze der Parteien im Mobilfunknetztest der Zeitschrift connect, Heft 1/2018, im Gesamtergebnis jeweils mit "sehr gut" bewertet, wobei die Antragsgegnerin 901 Punkte, die Antragstellerin 876 Punkte erreicht hat (Anlage AST 12). Im Mobilfunktest der Zeitschrift CHIP, Heft 1/2018, erhielt die Antragsgegnerin in der Gesamtwertung 91,3 Punkte und die Antragstellerin 88,0 Punkte, was nach den dort zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäben einer Note von "sehr gut" bzw. "gut" entspricht. Im Hinblick auf das LTE-Netz erreichte die Antragsgegnerin dort 93,1 Punkte und die Antragstellerin 88,8 Punkte, was nach den dort zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäben einer Note von "sehr gut" bzw. "gut" entspricht (Anlage AST 13).
Die Antragsgegnerin lässt durch von ihr beauftragte Unternehmen eigene Messungen zu den Mobilfunknetzen durchführen, deren Ergebnisse für ihre internen Zwecke bestimmt sind und von ihr nach einem eigenen "QvK-Standard" (Qualitätsvergleich aus Kundensicht) bewertet werden. Diese in ihrem Auftrag ermittelten Messergebnisse hat sie im Hinblick auf verschiedene (werbliche) Aussagen von der - ebenfalls von ihr beauftragten - TÜV N.C. GmbH überprüfen und zertifizieren lassen. Eine unmittelbare Befragung von Kunden erfolgte nicht. Unter anderem hat die TÜV N.C. GmbH die Aussagen
- "T. Deutschland bietet die beste Mobilfunk-Netzqualität nach QvK-Standard1) für Sprachdienste" (Anlage AST 14),
- "T. Deutschland bietet die beste Mobilfunk-Netzqualität nach QvK-Standard" (Anlage B 5)
zertifiziert.
Im November und Dezember 2017 bewarb die Antragsgegnerin ihr Angebot in verschiedenen Printmedien (Anlagen AST 3 und AST 11), in TV-Spots (Anlagen AST 5 und AST 6), auf Banden bei Sportveranstaltungen (Anlage AST 8), im Internet (Anlage AST 9) und im Wege der Internet-Bannerwerbung (Anlage AST 10). Mit Ausnahme der Bandenwerbung gemäß Anlage AST 8 ist allen diesen Werbemaßnahmen gemein, dass die Antragsgegnerin damit warb, über das beste und größte LTE-Netz zu verfügen, und dabei zugleich das Siegel der TÜV N.C. GmbH für das erteilte Zertifikat eingeblendet wurde. Mit der Bandenwerbung gemäß Anlage AST 8 warb die Antragsgegnerin damit, über das beste LTE-Netz zu verfügen. Auch bei dieser Werbung wurde zugleich das Siegel der TÜV N.C. GmbH für das erteilte Zertifikat eingeblendet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der angegriffenen Werbung wird auf die vorgenannten Anlagen verwiesen.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin diesbezüglich abmahnen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Werbemaßnahmen irreführend seien. Es handele sich um unzulässige Alleinstellungsbehauptungen, jedenfalls aber um unzulä...