Leitsatz (amtlich)

1. Der Parallelimporteur verletzt die Markenrechte des Arzneimittelherstellers, wenn die markenrechtlich geschützte Bezeichnung beim EU-Parallelimport unter Markenersetzung im Inland verwendet wird, soweit die Markenersetzung nicht erforderlich ist (gemäß den Grundsätzen zur künstlichen Marktabschottung: Art. 28, 30 EG).

2. Die objektiv zu bestimmende "Zwangslage" zur Markenersetzung kann sich aus dem Verbietungsrecht einer Drittmarke ergeben, aber nicht schon aus dem Hinweis des Inhabers der Drittmarke, eine Lizenzvereinbarung sei verhandelbar, wenn ungeklärt bleibt, ob mit einem Verbot und seiner Geltendmachung zu rechnen ist.

 

Normenkette

BGB § 242; EG Art. 28, 30; MarkenG §§ 14, 19, 30 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 20.05.2003; Aktenzeichen 312 O 37/03)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, v. 20.5.2003 abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu erstatten, der dieser seit dem 8.2.2001 aus der Herstellung, dem Feilhalten und dem Vertrieb von aus Ländern der EU unter den Bezeichnungen "Selokeen" oder "Seloken" importierten Arzneimittel, die mit der Bezeichnung "Beloc Zok" versehen worden sind, in der Bundesrepublik Deutschland entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang des Vertriebs der Arzneimittel gem. Ziff. 1. seit dem 8.2.2001, und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich ergeben:

  • die jeweils bestellte und bezogene Importware, aufgeschlüsselt nach Packungsgrößen, nach Bestelldaten und Lieferdaten und unter Angabe der gezahlten Einkaufspreise;
  • die Menge der hergestellten, von dritter Seite bestellten und der ausgelieferten Fertigware, aufgeschlüsselt nach Packungsgrößen, Herstellungs-, Bestell- und Auslieferungsdaten sowie unter Angabe der erzielten Verkaufserlöse;
  • der Umsatz, die Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie der erzielte Gewinn;

und zwar unter Vorlage der entsprechenden Bestellschreiben, Einkaufsbelege, Rechnungen und Lieferscheine für den Einkauf und den Absatz, wobei Hinweise auf die Herstellerfirmen, Lieferanten und Vorbesitzer der Arzneimittel nebst der sich darauf beziehenden Bestell- und Lieferdaten unkenntlich gemacht werden dürfen.

Im Übrigen wird die Klage, soweit sie nicht in der Berufungsverhandlung zurückgenommen worden ist, abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 1/10 und die Beklagten 9/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 256.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 2.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin - ein zum B-Konzern gehörendes deutsches Pharmaunternehmen - vertreibt in Deutschland das Arzneimittel "Beloc Zok", und zwar in verschiedenen Dosierungen und zum Teil mit den Bezeichnungszusätzen wie "mite" und "forte". Im Europäischen Ausland wird das Arzneimittel vom Konzern der Klägerin unter "SELOKEEN" bzw. "SELOKEN" vertrieben.

Die Beklagten befassen sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln, die Beklagte zu 2) ist im Mitvertrieb zusammen mit der Beklagten zu 1) tätig. Sie haben im Parallelimport die aus dem Europäischen Ausland stammenden Arzneimittel "SELOKEEN ZOC" und "SELOKEN" in "Beloc Zok" umgekennzeichnet und so in Deutschland vertrieben.

Die Klägerin beanstandet das als Markenrechtsverletzung und nimmt die Beklagten mit der vorliegenden Klage auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten in Anspruch.

Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Wortmarke "Beloc Zok" (der Klagemarke), eingetragen für pharmazeutische Präparate sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege (Anlage K 1).

Die Firma NE-... AG (im Folgenden: die NE-...) ist Inhaberin der deutschen Marke "Seloken" (im Folgenden: SELOKEN-Gegenmarke), eingetragen für "pharmazeutische Erzeugnisse, insb. Humanarzneimittel" (Anlage B 2).

Die Beklagten haben den beanstandeten Parallelimport der Klägerin angezeigt und Muster vorgelegt (vgl. dazu den Schriftwechsel zwischen den Parteien: Anlagen B 5-9). Nach einer weiteren Korrespondenz zwischen den Parteien (vgl. Anlagen B 10-19) haben die Beklagten mit Schreiben v. 18.12.2002 sich ggü. der Klägerin strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, im Europäischen Ausland unter den Marken Seloken bzw. Selokeen vertriebene Arzneimittel in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung Beloc Zok mite und/oder Beloc Zok 95 mg und/oder Beloc Zok forte zu vertreiben (vgl. dazu im Einzeln...

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