Leitsatz (amtlich)

1. Die werbliche Angabe "Power from the Start" für ein Asthmapräparat ruft mangels entgegenstehender aufklärender Angaben bei erheblichen Teilen der angesprochenen Fachkreise die Vorstellung hervor, dass eine Asthma-Behandlung mit dem beworbenen Präparat begonnen werden könne. Ist das Mittel tatsächlich nur als Add-On-Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit schwerem, durch andere Mittel nur unzureichend kontrollierbarem Asthma zugelassen, werden die Fachkreise in die Irre geführt.

2. Besteht der Wirkmechanismus eines Arzneimittels dergestalt aus zwei Komponenten, dass es so an einen bestimmten Zellrezeptor bindet, dass dadurch Killerzellen aktiviert werden, die wiederum den Zelltod herbeiführen, dann liegt darin keine "direkte" Depletion der Zelle und ist eine Werbung, die eine entsprechende direkte Wirkung behauptet, irreführend.

 

Normenkette

HeilMWerbG § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG; HeilMWerbG § 3; HeilMWerbG § 3a UWG; HeilMWerbG § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG; HeilMWerbG § 8 Abs. 1 UWG; HeilMWerbG § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 19.06.2018; Aktenzeichen 312 O 86/18)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19. Juni 2018, Geschäfts-Nr. 312 O 86/18, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Antragsgegnerin zur Last.

Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19. Juni 2018 und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes wegen verschiedener Werbeaussagen für das Arzneimittel "RA." auf Unterlassung in Anspruch.

Bei den Parteien handelt es sich um forschende Arzneimittelunternehmen. Sie sind Wettbewerber im Bereich der Entwicklung, Produktion und des Vertriebs von Arzneimitteln für die Anwendungsgebiete COPD und Asthma.

Die Antragsgegnerin bringt das im Januar 2018 zugelassene Präparat "RA." mit dem Wirkstoff ZB. als Add-on-Erhaltungstherapie für erwachsene Patienten mit schwerem eosinophilen Asthma in den Verkehr.

Bei einem schweren eosinophilen Asthma handelt es sich um eine Erkrankung, die auf einer eosinophilen Entzündung basiert und bei welcher meist eine erhöhte Konzentration an eosinophilen Leukozyten im Blut festzustellen ist. Eosinophile sind Bestandteile des körpereigenen Immunsystems und insbesondere zuständig für die Abwehr von Parasiten. Bei einer übermäßig hohen Konzentration von Eosinophilen werden vermehrt entzündliche Botenstoffe wie Interleukine produziert, die in die Lunge einströmen und dort das Gewebe angreifen und zerstören können. Bei Patienten mit dieser schweren Form des Asthma sind Zusatzbehandlungen mittels weiterer Therapieoptionen wie zum Beispiel Biologika erforderlich.

Die Antragsgegnerin bewarb das von ihr vertriebene Biologikum "RA." mit der aus der Anlage AST 2 ersichtlichen Unterlage. Auf die Abmahnung der Antragstellerin vom 28.2.2018 (Anlage AST 3) gab sie mit Schreiben vom 7.3.2018 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung in eingeschränktem Umfang ab und wies die weitergehenden Ansprüche zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das als Anlage AST 4 zur Akte gereichte Schreiben der Antragsgegnerin vom 7.3.2018 Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat in der Abmahnung und dem anschließenden Verfügungsantrag geltend gemacht, dass die Angabe "RA.* - Power from the Start" gemäß der Anlage AST 2 irreführend im Sinne von § 3 Satz 1 HWG sei.

Relevante Teile des angesprochenen Verkehrs verstünden die Angabe so, dass man bei der Asthma-Behandlung sogleich und allein mit dem Präparat "RA." beginnen könne, obwohl eine Zulassung - unstreitig - lediglich als Add-on-Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit schwerem eosinophilen Asthma bestehe, das trotz hoch dosierter inhalativer Kortikosteroide und langwirksamer Beta-Agonisten nur unzureichend kontrolliert sei. "RA." sei also weder indiziert zum Einsatz als Monotherapie noch für eine Behandlung "von Anfang an" zugelassen. Die Angabe könne zudem dahin verstanden werden, dass "RA." seine Wirkungen gleich von Beginn der Behandlung an kraftvoll entfalte ("Power from the Start"). Dies sei bei einer schweren Asthmaerkrankung besonders wichtig. Ausweislich der Fachinformation, Ziffer 5.1 (Anlage AST 1) führe das Präparat jedoch erst "innerhalb von 24 Stunden nach der ersten Dosis zu einer nahezu vollständigen Depletion der Eosinophilen im Blut", so dass nicht von "Power from the Start" die Rede sein könne.

Die Aussage "Direkte, schnelle und fast vollständige Depletion der EOS im Blut" gemäß der Anlage AST 2 sei ebenfalls irreführend, da sie nicht wissenschaftlich valide belegt sei. Es gebe keine Studie, die diese Aussage trage. Der Wirkstoff von "RA." führe gerade nicht zu einer "direkten" Depletion der Eosinophilen im Blut, weil es zusätzlich noch einer Aktivierung natürlicher Killerzellen bedürfe. Die Studien von Fitzgerald et al. 2016, Bleecker et al. 2016 und Nair et al. 2017 (Anlagen Ast 6), auf die die Antragsgegneri...

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