Leitsatz (amtlich)
Bringt der Markeninhaber zwei einheitlich verpackte Waren in ihrer Kombination in den Verkehr (hier ein CI-Modul mit Smartcard zum Empfang verschlüsselter Fernsehprogramme), so ist das Recht an den auf jedem der einzelnen Produkte angebrachten Marken nicht erschöpft und kann sich der Markeninhaber dem Weiterverkauf der ausgeeinzelten und jeweils separat angeboten Produkte aus berechtigten Gründen widersetzen, wenn die Auseinzelung eine Veränderung der Ware mit sich bringt, die deren Eigenart berührt.
Normenkette
GMV Art. 9 Abs. 2 Buchst. a), Art. 12 Abs. 1 Buchst. b), Buchst. c), Art. 13 Abs. 1-2, Art. 102 Abs. 2; MarkenG § 14 Abs. 6, § 18
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.07.2016, Az. 408 HKO 147/15, abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen als Gesamtgläubigerinnen 2.636,90 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2015 sowie 46,65 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2015 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung der Klägerinnen wird, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben, zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz haben der Beklagte zu 9/10 und die Klägerinnen zu 1/10 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschließt:
5. Der Streitwert für das Verfahren erster Instanz wird unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Hamburg vom 04.10.2016 auf 8.535,45 EUR festgesetzt.
6. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 8.535,45 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um kennzeichenrechtliche Ansprüche der Klägerinnen gegen den Beklagten wegen des getrennten Angebots und Verkaufs von ursprünglich kombiniert in den Verkehr gebrachter Waren der Klägerinnen.
Die Klägerinnen stützen sich auf die Rechte an der für die Klägerin zu 1 eingetragenen Gemeinschafts-Wort-/Bildmarke 8179376, wie nachfolgend abgebildet, ... deren Lizenznehmerin die Klägerin zu 2 ist. Die Klägerin zu 2 stützt sich ergänzend auf ihre Rechte an dem Unternehmenskennzeichen HD+ bzw. HD Plus. Hilfsweise machen die Klägerinnen wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend.
Die Klägerin zu 2 lässt Smartcards und CI-Module mit Zustimmung der Klägerin zu 1 herstellen. Sie vertreibt zum einen Smartcards ausschließlich kombiniert mit einem CI-Modul als sog. Bundle an Endverbraucher (vgl. ein aktuelles Verpackungsdesign in Anlage K 4). Diese Produkte sind in Blister eingeschweißt und enthalten die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerinnen. Zum anderen vertreibt sie isolierte Smartcards allein an Receiver-Hersteller. Diese werden vertraglich gebunden, die Smartcards nicht als solche an Dritte weiterzugeben, sondern die ihnen überlassenen Smartcards erst dann zu vertreiben, wenn sie in einen Receiver integriert, dieser gemäß den Vorgaben aus den Verträgen originalverpackt und die allgemeinen Geschäftsbedingungen der D. GmbH beigefügt worden sind (vgl. Anlagen K 5 und 6).
Die Klägerinnen wenden sich dagegen, dass der Beklagte HD+ Smartcards und CI-Module getrennt auf der Verkaufsplattform ebay zum Verkauf angeboten hat (vgl. Anlagenkonvolut K 7). In der Artikelbeschreibung hieß es u.a.:
"Neu: Neuer, unbenutzter und unbeschädigter Artikel in nicht geöffneter Originalverpackung [..]
sowie:
"Warum HD01? Diese Karte läuft im Gegensatz zu den neuen, jetzt vertriebenen HD03 Karten auch in alternativen Modulen oder Receivern (z.B. Linux, enigma2). Die neuen Karten laufen NUR noch mit den originalen HD+ Modulen und HD+ zertifizierten Receivern mit den bekannten Restriktionen".
Auf einen Testkauf der Klägerinnen lieferte der Beklagte die Smartcards jeweils ohne die andere Komponente in einem Briefumschlag ohne Originalverpackungen und ohne die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 2. Die CI-Module waren mit geöffneter Verpackung und ohne die Smartcard angeboten worden, teilweise mit händischen Änderungen auf der Verpackung.
Die Klägerinnen ließen den Beklagten mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28. Januar 2015 abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern (Anlage K 8). Der Beklagte gab daraufhin am 12. Februar 2015 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Anlage K 9). Er teilte mit, ausschließlich über ebay die Produkte vertrieben, und zwar 5 Smartcards und 46 CI-Module, und damit einen Gewinn von 46,65 EUR erzielt zu haben (vgl. Anlage K 11). Auf eine Beanstandung der Klägerinnen korrigierte der Beklagte seine Auskunft dahingehend, dass er 46 CI-Module und 35 HD+ Smartcards vertrieben habe (Anlage K 13).
Mit ihrer am 01.07.2015 zugestellten Klage haben die Klägerinnen den Beklagten auf Vernichtung und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sowie Zahlung bezifferten Schadensersatzes in Anspruch genommen.
Sie haben geltend gemacht, dass sie sich dem weiteren Vertrieb...