Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung gem. § 12 Abs. 2 UWG und zur Zulässigkeit der Bewerbung eines Arzneimittels mit dem Zusatz "forte"
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG.
2. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG lebt nicht regelmäßig dann wieder auf, wenn im Hinblick auf das In-Verkehr-Bringen der Ware zu der bereits bestehenden Begehungsgefahr die Wiederholungsgefahr hinzutritt.
3. Im Bereich der Bezeichnung von Arzneimittel ist zwar davon auszugehen, dass es sich häufig so verhält, dass der Zusatz "forte" für ein Arzneimittel eingesetzt wird, um es von einem gleichnamigen, aber schwächer dosierten Präparat gleichen Namens abzugrenzen. Da es sich jedoch nicht ausnahmslos so verhält, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr aus der Bezeichnung "forte" regelmäßig auf das Vorhandensein eines schwächeren Basispräparats desselben Anbieters schließt. Zudem ist nicht ersichtlich, dass ein solcher Irrtum überhaupt wettbewerblich relevant wäre.
4. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der Verwendung des Zusatzes "forte" im Arzneimittelsektor davon ausgehen, dass einem so bezeichneten Präparat im Verhältnis zu seinen Wettbewerbspräparaten eine Spitzen- oder Alleinstellung zukomme.
5. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf die Bezeichnung eines Arzneimittels aufgrund der Verwendung des Zusatzes "forte" davon ausgehen, dass dem Präparat eine stärkere Wirksamkeit zukomme. Für ein solches Verkehrsverständnis, dass der Zusatz "forte" nicht nur als Hinweis auf die Dosierung, sondern auch auf die höhere Wirksamkeit verstanden wird, besteht kein Anhalt.
6. Zu den Anforderungen, welche hinsichtlich fremdsprachiger wissenschaftlicher Studien an eine ordnungsgemäße Einführung in den Prozess zu stellen sind:
Fremdsprachige Studien, auf deren Ergebnisse die Parteien sich zur Stützung ihres Sachvortrages beziehen wollen, sind in ihren wesentlichen Eckpunkten zu beschreiben. Das heißt, dass der Gegenstand der Studie, die primären und sekundären Ziele der Untersuchung, das Studiendesign und die Untersuchungsmethodik sowie die Studienergebnisse kurz schriftsätzlich darzustellen sind. Soweit sich die Parteien auf bestimmte Textstellen der Veröffentlichung stützen wollen, sollten diese schriftsätzlich im fremdsprachigen Originaltext sowie mit einer "Arbeitsübersetzung" in die deutsche Sprache wiedergegeben werden.
Normenkette
HWG §§ 3, 4 Abs. 3, 6; UWG §§ 3, 4 Nr. 11, §§ 8, 8 Abs. 1, § 12 Abs. 2; GVG § 184; ZPO § 129
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 11.01.2007; Aktenzeichen 312 O 1013/06) |
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des LG Hamburg vom 11.1.2007 - 312 O 1013/06 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung fallen der Antragstellerin zur Last.
Gründe
I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen irreführender Werbung für das Präparat "ALLERSLIT forte" auf Unterlassung in Anspruch.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Allergen-Präparate zur allergiespezifischen Hyposensibilisierung.
Mit Anerkenntnis-Teil- und Schlussurteil des LG Hamburg vom 11.1.2007 - 312 O 1013/06, wurde der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel antragsgemäß verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. für das Präparat ALLERSLIT forte mit der aus der Anlage A zu diesem Urteil ersichtlichen vergleichenden Übersicht verschiedener SLIT-Präparate ("Hauptallergengehalt (Gräser)") zu werben und/oder werben zu lassen,
2. für die Präparate ALLERGOVIT und/oder ACAROID mit der aus der Anlage B zu diesem Urteil ersichtlichen vergleichenden Übersicht der publizierten Hauptallergengehalte in der Erhaltungsdosis ("Am Besten schnell zur höchsten Dosis") zu werben und/oder werben zu lassen,
3. in Bezug auf das Präparat ALLERSLIT forte zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, es handele sich hierbei um "das zur Zeit höchstdosierte SLIT-Präparat auf dem Markt".
Der darüber hinaus gestellte Unterlassungsantrag zu I.4., mit welchem die Antragstellerin beantragt hatte, der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ein Allergiepräparat unter der Bezeichnung ALLERSLIT forte zu bewerben, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, wurde zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens wurden der Antragstellerin zu 80 %, der Antragsgegnerin 20 % auferlegt. Dabei wurde u.a. berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin die Unterlassungsanträge zu I.1. und I.2. - unter Protest gegen die Kostenlast - anerkannt hatte.
Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin im Hinblick auf die Zurückweisung des Verfügungsantrages zu I.4. frist- und formgerecht Berufung eingelegt und diese auch frist- und formgerecht begründet.
Die Antragstellerin meint, dass die Verwendung des Zusatzes "fort...