Leitsatz (amtlich)
1. Droht der Vertrieb von luxuriösen Kosmetikprodukten auf der Onlineplattform eines Unternehmens, das SB-Warenhäuser betreibt, den guten Ruf der Marken der Kosmetikprodukte erheblich zu schädigen, dann darf sich der Inhaber der Marken ihrer Benutzung im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Waren auf der Onlineplattform aus berechtigten Gründen widersetzen, wenn er die betroffene Ware im Rahmen eines selektiven Systems ausschließlich an nach strengen Kriterien ausgewählte Fachhandelsgeschäfte abgibt, die fachliche wie räumliche Voraussetzungen erfüllen müssen, um dem luxuriösen Image der Ware zu genügen. In einem solchen Fall ist das betroffene Markenrecht infolge des mit Zustimmung des Markeninhabers erfolgten erstmaligen Inverkehrbringens der Waren nicht schon erschöpft.
2. Der Annahme einer den Marken drohenden beträchtlichen Rufschädigung steht es nicht entgegen, dass der Markeninhaber seine hochwertigen Kosmetikprodukte auch an Unternehmen abgibt, die eine Vielzahl von Fachgeschäften für Kosmetik- und Parfümerieprodukte und daneben auch einen Onlineshop betreiben oder die nur solche Produkte ausschließlich online anbieten, wenn die mit den Marken gekennzeichneten Produkte dort in einer Weise angeboten werden, die dem Luxusimage der Produkte gerecht wird, so dass die Aura des Exklusiven nicht verlorengeht.
3. Einem selektiven Vertriebssystem ist nicht bereits deshalb der Schutz zu versagen, weil im Internet auf großen Handelsplattformen Graumarktware erhältlich ist, die weder vom Markeninhaber selbst noch von den von ihm autorisierten Vertriebspartnern angeboten wird, wenn sich der Markeninhaber einem solchen Angebot im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Wehr setzt und nicht erkennbar ist, dass der unautorisierte Vertrieb bereits einen solchen Umfang erreicht hätte, dass jedenfalls rein faktisch das selektive Vertriebsnetz des Markeninhabers im Onlinebereich tatsächlich nicht existent wäre und der Verkehr dort deshalb auch keine Qualitätsanmutung erkennen könnte.
Normenkette
EGV 207/2009 Art. 9 Abs. 2a, 3, Art. 25 Abs. 3 S. 1, Art. 125 Abs. 5, Art. 129 Abs. 1-2, Art. 130 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 21.06.2017; Aktenzeichen 315 O 95/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 21. Juni 2017, Az. 315 O 95/17, wird - soweit sie nach der teilweisen Rücknahme des Verfügungsantrags im Termin am 7. Juni 2018 noch anhängig ist - zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten zweiter Instanz tragen die Antragstellerin zu 1/3 und die Antragsgegnerin zu 2/3.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich aus Markenrechten gegen den Vertrieb ihrer Produkte über die Onlineplattform www.real.de durch die Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist die deutsche Tochtergesellschaft der japanischen K. Corporation, die unter anderem im Bereich Kosmetik tätig ist und die "K." bzw. "S." - Produkte herstellt und weltweit über ihre Tochtergesellschaften, in Deutschland über die Antragstellerin, vertreibt.
Die Muttergesellschaft der Antragstellerin ist Inhaberin der Deutschen Wortmarke Nr. ...491 "S.", der Unionswortmarke Nr. ...505 "S.", der IR-Bildmarke Nr. ...167 "S.", der Deutschen Wort-/Bildmarke Nr. ...028 "K." und der Unionsbildmarke Nr. ...876 "K." (vgl. Anlagenkonvolut ASt 5).
Die Antragsgegnerin ist eine Online-Händlerin im Bereich Kosmetik, deren Waren auch über die Onlineplattform www.real.de vertrieben werden.
Bei der Onlineplattform www.real.de handelt es sich um den Online-Auftritt der real-SB-Warenhaus GmbH (im Folgenden Real), einer zur "Metro Group" gehörenden Handelskette, die in Deutschland mehrere hundert Supermärkte betreibt, in denen hauptsächlich Lebensmittel, daneben aber auch Haushaltswaren, Elektrogeräte, Textilien, Schuhe sowie unter anderem Kosmetikprodukte, allesamt schwerpunktmäßig im Niedrigpreissegment, angeboten werden (Anlage ASt 6). Auch auf dem Onlineportal www.real.de bietet Real ein breites Warensortiment zum Verkauf an. Seitdem der Onlineauftritt von Real mit dem des von ihr übernommenen Unternehmens "Hitmeister" zusammengelegt wurde, bietet Real auf der Onlineplattform www.real.de nicht nur seine Waren zum Verkauf an, sondern es können auch Dritte über die Onlineplattform Waren vertreiben (Anlage ASt 7).
Die Antragsgegnerin vertreibt eine Vielzahl von Kosmetikprodukten der Antragstellerin, die allesamt mit den Marken "K." und/oder "S." gekennzeichnet sind (Anlage ASt 9).
Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass ihre Produkte Luxusprodukte seien, die sich, auch preislich, auf einer Ebene mit den hochwertigsten auf dem Markt erhältlichen Kosmetikprodukten der Marken "La Mer", "Sisley" oder "La Prairie" bewegten (vgl. Anlage ASt 2, 3). Die Produkte würden ausschließlich im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems vertrieben, um das luxuriöse Image der Produkte und Marken zu erhalten und zu schützen. Das selektive Vertriebssystem der Antragstellerin sehe unter andere...