Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit einer umfassenden Bürgschaftserklärung des nicht als Geschäftsführer tätigen Minderheitsgesellschafters (hier: Beteiligung von 45 %)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird in einem Bürgschaftsformular die gesicherte Forderung mit „bankmäßiger Geschäftsverbindung” zum Hauptschuldner bezeichnet, so widerspricht diese Klausel wegen der Erstreckung der Haftung auf alle bestehenden Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner grundsätzlich den Geboten von Treu und Glauben und ist wegen unangemessener Benachteiligung des Bürgen gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.

2. Dieser Unwirksamkeitsgrund besteht nicht, wenn mit einer formularmäßigen Bürgschaftserklärung ein Geschäftsführer oder Allein- beziehungsweise Mehrheitsgesellschafter für Verbindlichkeiten „seiner” Gesellschaft einstehen will.

3. Dagegen ist eine solche umfassende Bürgschaftserklärung unwirksam, wenn sie von einem Minderheitsgesellschafter (hier: Beteiligung von 45 %), der nicht als Geschäftsführer tätig ist, abgegeben wird.

4. Die bei unwirksamer globaler Zweckerklärung in Betracht kommende Haftung des Bürgen für die Forderung, die Anlass der Bürgschaftsübernahme gewesen ist, setzt voraus, dass dem Bürgen der oder die Anlasskredite bekannt gewesen sind und die Feststellung getroffen werden kann, dass der Bürge jedenfalls für diese Anlasskredite rechtswirksam die Bürgschaft übernommen hätte.

 

Normenkette

ABGB § 9 a.F.; BGB §§ 138, 242, 765-766

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 305 O 64/00)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 5, vom 22.6.2000 geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, 50.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.8.1999 an die Klägerin zu zahlen.

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und die eigenen außergerichtlichen Kosten zu 1/2. Der Beklagte zu 1) trägt die eigenen außergerichtlichen Kosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1/2.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin und den Beklagten zu 1) mit jeweils 50.000 DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Bürgen in Anspruch.

Sie hat der T. Motorradhandel GmbH im August 1997 ein Annuitätendarlehen über 70.000 DM und zwei Kontokorrentkredite über 100.000 DM bzw. über 50.000 DM zur Verfügung gestellt, zu den aus dem Schreiben vom 15.8.1997 mit Anlagen ersichtlichen Bedingungen (Anl. K 6). Für die Ansprüche der Klägerin gegen die Darlehensnehmerin aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung haben sich die Beklagten am 22.8.1997 selbstschuldnerisch bis zum Höchstbetrag von 210.000 DM verbürgt (Anl. K 2).

Der Beklagte zu 1) war Geschäftsführer der Darlehensnehmerin und als Gesellschafter mit 31.900 DM als Stammeinlage zu etwas mehr als 55 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt, das 57.700 DM betrug. Auch die Beklagte zu 2) war Gesellschafterin der Darlehensnehmerin mit einer Stammeinlage von 25.800 DM (vgl. Anl. K 10).

Die mit Schreiben vom 15.8.1997 von der Klägerin eingeräumten Kontokorrentkredite führte die Gesellschaft bis Ende März 1998 zurück. Auf Wunsch des Beklagten zu 1) räumte die Klägerin im April 1998 der T. Motorradhandel GmbH einen weiteren Überziehungskredit ein, der schließlich mehr als 200.000 DM betrug.

Mit Schreiben vom 27.7.1999 kündigte die Klägerin ggü. der Gesellschaft die Geschäftsbeziehung und forderte die Gesellschaft auf, bis zum 31.7.1999 261.526,84 DM zu zahlen (215.247,61 DM aus dem Kontokorrentkredit und 46.279,23 DM aus dem ursprünglichen Darlehen über 70.000 DM). Ebenfalls mit Schreiben vom 27.7.1999 (Anl. K 4) nahm die Klägerin beide Beklagte als Bürgen in Anspruch.

Am 5.1.2000 eröffnete das AG Hamburg – 67g IN 108/99 – das Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. Motorradhandel GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (Anl. K 5).

Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Rückführung des Saldos von 46.279,23 DM per 31.7.1999 zu dem Darlehenskonto Nr. 0308166 008 in Anspruch. Von dem Beklagten zu 1) beansprucht sie weitere 3.720,77 DM als Teilbetrag auf ihre Forderung aus dem Kontokorrentkonto Nr. 0008166 001. In dieser Höhe hat sie die anfänglich auch mit insgesamt 50.000 DM bezifferte Klageforderung gegen die Beklagte zu 2) zurückgenommen.

Mit Urteil vom 22.6.2000 hat das LG den Beklagten zu 1) verurteilt, 50.000 DM nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Die Beklagte zu 2) hat das LG verurteilt, als Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 1) 46.279,23 DM nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen.

Gegen das ihnen am 26.6.2000 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 25.7.2000 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Sie berufen sich darauf, dass die Ausdehnung der Bürgschaft auf sämtliche Ansprüche der Klägerin ggü. der Gesellschaft als Hauptschuldnerin aus der b...

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