Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchführung von Desinfektionsmaßnahmen vor operativem Eingriff nicht dokumentationsbedürftig
Leitsatz (amtlich)
1. Das Auftreten einer durch Stäbchenbakterien verursachten bakteriellen Wundinfektion lässt für sich genommen nicht auf einen Behandlungsfehler schließen, weil weder die menschliche Haut präoperativ mit Sicherheit keimfrei gemacht werden kann noch sich eine Besiedelung der Operationswunde durch Raumkeime sicher vermeiden lässt.
2. Eine Umkehrung der Beweislast zugunsten des für einen Behandlungsfehler an sich beweispflichtigen Patienten lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Durchführung von Desinfektionsmaßnahmen vor dem Eingriff im Operationsbericht nicht dokumentiert ist. Die Dokumentation einer solchen Maßnahme ist medizinisch nicht erforderlich und daher auch aus Rechtsgründen nicht geboten.
Normenkette
BGB §§ 823, 847
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 323 O 146/99) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 23, vom 27.1.2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch und begehrt die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr in Zukunft aus einer ärztlichen Behandlung im Jahre 1996 entstehende materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen.
Bei der 1939 geborenen Klägerin, die seit 1981 unter Beschwerden im rechten Schultergelenk litt, wurde am 31.1.1989 im Krankenhaus N. eine Schulterendoprothese nach Neer eingesetzt.
Auch nach der Operation klagte die Klägerin über Schulterschmerzen. Dr. med. B.F., der die Klägerin bereits vor der Operation mit dem aus der Anl. K 1 ersichtlichen Ergebnis untersucht hatte, stellte im November 1989 eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung fest und empfahl eine Arthroskopie mit der Entfernung einer Knochenspitze (Anl. K 2). Diesen Eingriff führte Dr. med. F. am 4.3.1992 durch (Operationsbericht und Arztschreiben Anl. K 3 und K 4). Nach dem Eingriff trat eine bakterielle Schultergelenksinfektion auf.
Weil Bewegungseinschränkungen und Schmerzen im rechten Schultergelenk anhielten, stellte sich die Klägerin zu einer Untersuchung am 22.6.1995 im Krankenhaus K. vor. Im Untersuchungsbericht vom 26.6.1995 (Anl. K 5) heißt es: „Die Problematik am endoprothetisch versorgten rechten Schultergelenk ist recht komplex und gemäß unserer Auffassung nicht mit einer guten Prognose behaftet. Die Cranialisierung des Humeruskopfes wird weiter fortschreiten. Eine krankengymnastische Übungsbehandlung erscheint nicht aussichtsreich.” Dr. med. F. empfahl demgegenüber am 21.8.1995 eine Revision, Rekonstruktion der Rotatorenmanschette, Knochenentnahme vom Beckenkamm, evtl. Kopfaustausch mit Aeratec Kopf (Anl. K 6).
Der die Klägerin seit Jahren als Facharzt für Orthopädie betreuende Dr. med. Sch. in K. wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 4.10.1995 (Anl. K 6) an die E.-Klinik, die Beklagte zu 1). Der bei dieser als Leitender Oberarzt tätige Beklagte zu 2) teilte Dr. Sch. im Schreiben vom 26.10.1995 mit, dass er nach den ihm übersandten Röntgenbildern annehme, dass es bei der Klägerin zu einer Luxation der Prothese gekommen sei, weil die Pfanne zu steil eingesetzt worden sei. Möglich sei ein Austausch der Pfanne gegen eine Spezialpfanne sowie der Austausch des Schaftes gegen ein modulares System (Anl. K 7).
Nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 18.3.1996 berichtete der Beklagte zu 2) wie aus der Anl. K 8 ersichtlich.
Am 12.7.1996 wurde die Klägerin in der Klinik der Beklagten zu 1) aufgenommen und dort am 15.7.1996 von dem Beklagten zu 2) operiert. Beim Entfernen der gelockerten künstlichen Pfanne stellte der Beklagte zu 2) fest, dass wegen eines darunterliegenden knöchernen Defekts die Implantation einer subacromialen gestützten Pfanne, wie er sie hatte einsetzen wollen, nicht möglich war. Er fasste deshalb den Entschluss, die 1989 eingesetzte Pfanne ersatzlos zu entfernen, den Oberarmkopfersatz aber gegen ein modulares System auszutauschen (Operationsbericht Anl. B 2).
Nach der Operation trat eine bakterielle Wundinfektion auf, verursacht von Propioni species (Stäbchenbakterien) (Anl. K 9). Die Klägerin blieb bis zum 7.9.1996 in der Klinik, wurde nach dem Vortrag der Beklagten auf eigenen Wunsch für kurze Zeit entlassen und am 16.9.1996 erneut in der Klinik der Beklagten zu 1) aufgenommen.
Am 19.9.1996 führte der Beklagte zu 2) eine zweite Austauschoperation durch (Operationsbericht Anl. B 3). Am 4.11.1996 wurde die Klägerin aus der Klinik entlassen (Entlassungsbericht vom 20.11.1996 an Dr. med. Sch. (Anl. K 10).
Im Juni 1997 hat die Klägerin die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern angerufen, in deren Auftrag Prof. Dr. med. M.W. von der Chirurgischen Universitätsklinik der Albert-Ludwigs-Universität F. unter dem 5.4.1998 das aus der Anl. B 5 ersichtliche Or...