Leitsatz (amtlich)
Die von einer Arzneimittelwerbung angesprochene Ärzteschaft handelt bei der Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten vor dem Hintergrund des ihr jedenfalls in seinen Grundzügen bekannten Erstattungs- und Vergütungsregimes des SGB V und weiß jedenfalls in allgemeiner Form, dass im Interesse der Kostendämpfung im Gesundheitswesen die wirtschaftlichkeitsbezogenen Instrumentarien des Arznei- und Heilmittelbudgets und die auf das ärztliche Handeln bezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung mit der Folge eingeführt wurden, dass dem Arzt bei Überschreitung eines bestimmten Volumens Honorarkürzungen oder Regressforderungen durch die Kassenärztliche Vereinigung drohen.
Weist eine Arzneimittelwerbung darauf hin, dass ein Arzneimittel infolge einer zwischen dem Arzneimittelhersteller und Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenversicherungen getroffenen Vereinbarung eines Erstattungsbetrags "bei indikationsgerechter Verschreibung wirtschaftlich" sei, lenkt diese Angabe den Blick des Arztes auf die Frage der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Verordnung und stellt dadurch mittelbar einen Zusammenhang zur Wirtschaftlichkeitsprüfung der Kassenärztlichen Vereinigung her. Im konkreten Kontext kann die Werbung den angesprochenen Ärzten deshalb die tatsächliche Botschaft vermitteln, dass ihnen im Falle der Verschreibung des Mittels wegen der festgestellten Wirtschaftlichkeit für den Fall der Wirtschaftlichkeitsprüfung kein Regress droht.
Normenkette
UWG 2008 §§ 3, 3a, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 06.10.2015; Aktenzeichen 312 O 132/14) |
Tenor
1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg vom 06.10.2015, Az. 312 O 132/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung einer Aussage zur Wirtschaftlichkeit des Präparates E. in einer Pressemitteilung in Anspruch.
Die Parteien vertreiben Fertigarzneimittel zur Diabetes-Behandlung. Die Antragstellerin vertreibt das Präparat F.. Die Antragsgegnerin vertreibt E., das seit dem 15.12.2012 verfügbar ist.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat gemäß § 35a SGB V beschlossen, dass für E. kein Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie festgestellt werden konnte (Anlagenkonvolut ASt 6). Im Anschluss an die Festsetzung konnten sich die Antragsgegnerin und die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen zunächst nicht auf einen Erstattungsbetrag für E. verständigen, so dass das gesetzlich vorgesehene Schiedsverfahren eingeleitet wurde. Die Antragsgegnerin erklärte darauf, dass sie E. ab dem 15.12.2013 in Deutschland nicht mehr anbieten werde. Ende Februar 2014 kam es dann zu einer Verständigung zwischen der Antragsgegnerin und den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen.
Die Antragsgegnerin veröffentlichte darauf am 26.2.2014 auf ihrer Internetseite unter dem Titel "Diabetes-Medikament E. bleibt in Deutschland verfügbar." eine Pressemitteilung.
Im ersten Absatz der Pressemitteilung findet sich im Anschluss an den Satz "E. bleibt auch zukünftig voll verordnungs- und erstattungsfähig." der in seiner konkreten Verletzungsform angegriffene Satz: "Durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags ist E.® bei indikationsgerechter Verschreibung wirtschaftlich."
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass diese Aussage gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG 2008 i.V.m. § 3 HWG bzw. 3, 5 UWG irreführend sei. Der Satz erwecke den (unzutreffenden) Eindruck einer generellen Wirtschaftlichkeit des Präparates E. unter Ausschluss eines sozialrechtlichen Regresses.
Ärzte seien für Argumente der Wirtschaftlichkeit besonders empfänglich, da sie sozialrechtliche Wirtschaftlichkeitsprüfungen und in besonderer Weise einen möglichen Arzneimittelregress fürchten. Ihnen stehe ein Arzneimittelbudget zur Verfügung. Werde dieses Budget in bestimmtem Umfang überschritten, könne dies zu einer Wirtschaftlichkeitsprüfung führen. Diese sei mit besonderem Aufwand verbunden, da der Arzt darlegungs- und beweisbelastet dafür sei, dass die Überschreitung durch patientenbezogene Besonderheiten bedingt sei. Ein Verstoß könne Regresse gegenüber dem Arzt nach sich ziehen.
Die streitgegenständliche Behauptung einer generellen Wirtschaftlichkeit des Arzneimittels, wenn nur eine indikationsgerechte Verschreibung vorliege, entbehre jeder Grundlage. Es müsse stets eine Einzelfallüberprüfung erfolgen. Die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages zu E. ändere daran nichts.
Eine generelle Wirtschaftlichkeit gebe es nur, wenn entweder der Arzt einem Rabattvertrag (§ 130a Abs. 8 SGB V) beitrete oder eine Anerkennung des Mittels als generelle Praxisbesonderheit vorliege. Die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages und die Einhaltung der Obergrenze gemäß § 130b Abs. 3 SGB V stelle bei einem Medikament ohne festgestellten Zusatznutzen nur eine Anforderung dar, um überhaupt weiterhin erst...