Leitsatz (amtlich)
Die an Ärzte gerichtete Werbung für ein Generikum mit der Angabe "... eine wirtschaftliche Alternative für Ihre Verordnung mit einem Preisvorteil bis zu 36 % gegenüber P." (Originalpräparat) ist irreführend, wenn die Berechnung der Ersparnis auf den in der sog. Lauer-Taxe verzeichneten Abgabepreisen basiert und aus der Angabe nicht hinreichend deutlich hervorgeht, dass der genannte Preisvorteil aufgrund des Bestehens von Rabattverträgen zwischen Krankenkassen und Originalhersteller für einen erheblichen Anteil der Verschreibungen nicht erzielt werden kann.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 5; HWG § 3; SGB V §§ 31, 84 Abs. 1 Nr. 1, §§ 106, 130a Abs. 8
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 15.10.2009; Aktenzeichen 327 O 467/09) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 27, vom 15.10.2009 (Geschäfts-Nr. 327 O 467/09) wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Antragstellerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, beanstandet im Eilverfahren werbliche Angaben der Antragsgegnerin, die ebenfalls Arzneimittel herstellt und vertreibt.
Die Parteien vertreiben Thrombozytenaggregationshemmer. Die Antragstellerin vertreibt das Produkt "P. 75 mg Filmtabletten" mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Clopidogrelhydrogensulfat (Fachinformation Anlage K 2). Die Antragsgegnerin vertreibt das Produkt "Clopidogrel r. 75 mg Filmtabletten" mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Clopidogrelbesilat (Fachinformation Anlage K 3). Beide Arzneimittel - das Produkt der Antragsgegnerin aufgrund erweiterter Zulassung vom 29.7.2009 - verfügen über identische Anwendungsgebiete (s. jeweilige Fachinformation unter Ziff. 4.1). Zuvor war das Produkt der Antragsgegnerin lediglich für einen Teil der Indikationen des Originalprodukts zugelassen gewesen. Anlässlich der Zulassungserweiterung hat die Antragsgegnerin für ihr Produkt gegenüber Ärzten u. a, mit einem an Ärzte gerichteten Werbeschreiben (Anlage K 2) sowie einem an Ärzte verteilten Werbefolder (Anlage K 3) geworben, welche die von der Antragstellerin beanstandeten Angaben enthalten.
Das Präparat P., Wirkstärke 75 mg, kostet nach der sog. Lauer-Taxe inklusive Umsatzsteuer in der Packungsgröße N 2 (28 Filmtabletten) 85,26 EUR und in der Packungsgröße N 3 (100 Filmtabletten) 279,75 EUR (Stand 15.7.2009). Clopidogrel-r. 75 mg Filmtabletten kosten in der Packungsgröße N 2 (28 Filmtabletten) 59,31 EUR und in der Packungsgröße N 3 (100 Filmtabletten) 180,42 EUR (Stand 15.7.2009).
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Werbung der Antragsgegnerin verstoße gegen § 3 HWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 6, 8 UWG und hierzu (soweit in der Berufung noch relevant) wie folgt vorbereitet:
Antrag zu I. 3. ("... eine wirtschaftliche Alternative für Ihre Verordnung mit einem Preisvorteil bis zu 36 % gegenüber P." bzw. "bis zu 36 % Preisvorteil gegenüber P."): Die Aussage suggeriere den angesprochenen Ärzten, dass das Präparat der Antragsgegnerin eine wirtschaftliche Alternative zu P. sei und bei Zugrundelegung der maßgebliche Lauer-Taxe einen Preisvorteil von 36 % biete. Diese Angabe sei irreführend, weil das Präparat der Antragsgegnerin keine "wirtschaftliche Alternative" sei und der ausgelobte Preisvorteil von 36 % mangels Maßgeblichkeit der Lauer-Taxe nicht bestehe. Denn die in der Lauer-Taxe genannten Preise entsprächen nicht den tatsächlich berechneten Preisen. So erhielten die Krankenkassen von den Apotheken gem. § 130 Abs. 1 SGB V einen Rabatt, der für P. im Kalenderjahr 2009 auf 6 % des für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreises betrage. Darüber hinaus habe sie, die Antragstellerin, mit mehreren großen Krankenkassen, darunter die Deutsche Angestelltenkrankenkasse, die Barmer Ersatzkasse und verschiedene Allgemeine Ortskrankenkassen, Rabattverträge gem. § 130a Abs. 8 SGB V geschlossen, die etwa 75 % bis 80 % aller gesetzlich Krankenversicherten beträfen. Die darin vereinbarten Preise lägen erheblich unter denjenigen der Lauer-Taxe, könnten jedoch aufgrund einer in den Rabattverträgen enthaltenen Geheimhaltungsklausel nicht genau mitgeteilt werden.
Antrag zu I. 4. ("Einsparpotential gegenüber P." mit Grafik): Mit der angegriffenen Übersicht suggeriere die Antragsgegnerin auf der Grundlage der in der Lauer-Taxe genannten Preise, dass sich bei einer, fünf oder zehn Verordnungen von Clopidogrel-r. 75 mg Filmtabletten statt P. der jeweils genannte Einsparbetrag realisieren lasse. Dies sei aus den zum Antrag zu 3. ausgeführten Gründen jedoch irreführend.
Die Antragstellerin hat (soweit in der Berufung noch relevant) beantragt,
1. es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR; Ordnungshaft insges...