Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 03.02.2005; Aktenzeichen 315 O 303/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 3.2.2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass die Beklagte verurteilt wird, es bei Meidung der vom LG genannten Ordnungsmittel zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet werb-liche Informationen (nämlich Angaben zur Indikation und/oder die Gebrauchsinformation) über verschreibungspflichtige Arzneimittel in einer Weise zu verbreiten, dass diese Informationen auch außerhalb der medizinischen Fachkreise ohne weiteres zugänglich sind.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 350.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 300.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien sind forschende Arzneimittelunternehmen und stehen miteinander im Wettbewerb.
Die Beklagte hat für ihr verschreibungspflichtiges Arzneimittel V im Internet auf ihrer Website "www.V.de" für Patienten frei zugänglich und ohne Passwortschutz geworben (Anlagen K 4-5) und dort über einen Link die Gebrauchsinformation von V frei zugänglich gemacht (Anlage K 6).
Die Klägerin beanstandet das als Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG und nimmt mit der vorliegenden Klage die Beklagte deswegen auf Unterlassung in Anspruch.
In dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums (LG Hamburg 312 O 576/03) erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte am 31.7.2003 eine Beschlussverfügung, deren Verbotsausspruch zu Ziff. I. 2. mit dem vorliegend in erster Instanz gestellten Klageantrag übereinstimmt. Auf die Beiakte LG Hamburg 312 O 576/03 wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat vorgetragen:
An sich habe die Beklagte - wie auch sonst in der Pharmabranche üblich - auf ihren Websites für die von ihr vertriebenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel V ' F und S (Anlagen K 5-8) einen Passwortschutz vorgesehen.
Die Beklagte habe aber gleichwohl auf diesen drei Websites werbliche Informationen über diese Arzneimittel ohne Passwortschutz zugänglich gemacht, und zwar insbesondere den Produktnamen (auch bereits in der Internetadresse) und die Abbildung der Produktpackung und die Beschreibung der Indikation (Bl. 66; vgl. für V : Anlage K 5). Außerdem habe die Beklagte über den Link für das jeweilige Arzneimittel die Gebrauchsinformation jedem zugänglich gemacht (vgl. für V : Anlage K 6, für F und S : Anlagen K 7-8). Die Verteilung von Gebrauchsinformationen außerhalb der Funktion als Packungsbeilage sei Werbung für das Arzneimittel, entsprechendes gelte für die Verlinkung durch die Antragsgegnerin. Zudem sei am Ende der verlinkten Gebrauchsinformation noch eine Weiterleitungsfunktion ("an einen Kollegen oder Freund") vorgesehen (für V : Anlage K 6).
Nach der Vollziehung der Beschlussverfügung (Beiakte LG Hamburg 312 O 576/03) habe die Beklagte ihre drei Websites umgestaltet (Anlagen K 9-11). Dort könne der Patient aber noch immer lesen, dass V gegen Gelenkschmerz helfe, F gegen Osteoporose und S gegen Asthma. Zudem berühme sich die Beklagte generell, für verschreibungspflichtige Arzneimittel im Internet ohne Passwortschutz werben zu können.
Die von der Gegenseite aufgeworfenen Punkte zum Verfassungsrecht und zum Gemeinschaftsrecht stünden dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht entgegen.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10 HWG beständen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG keine Bedenken (BGH GRUR 1996, 806 - HerzASS).
Auf die europarechtliche Primärrechtmäßigkeit des Art. 88 Abs. 1 EG-Arzneimittelkodex (Richtlinie 2001/83/EG) bzw. der früheren Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 92/28/EWG, die ebenfalls ein Publikumswerbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel statuierten, komme es nicht an. § 10 Abs. 1 HWG sei schon vor diesen Richtlinien, und zwar im Jahre 1978 in der jetzigen Fassung eingeführt worden. Insoweit handele es sich um autonomes deutsches Recht, das unabhängig von europäischem Sekundärrecht bestehe. Im Übrigen gehe der EuGH von der Rechtmäßigkeit des Pub-likumswerbeverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel aus (EuGH, GRUR-Int. 2004, 418 - DocMorris).
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von bestimmten Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet werbliche Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel in einer Weise zu verbreiten, dass diese Informationen auch außerhalb der medizinischen Fachkreise ohne weiteres zugänglich sind.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, vorab das Verfahren auszusetzen zur Vorlage an den EuGH (Bl. 15), hilfsweis...