Leitsatz (amtlich)
Irreführende Angaben zur finanziellen Unterstützung des Gesundheitssystems durch private Krankenversicherungen.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 29.03.2006; Aktenzeichen 315 O 151/06) |
Tenor
Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. März 2006, Az. 315 O 95/06, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung fallen dem Antragsgegner zur Last.
Gründe
I.
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner wegen einer Anzeigenkampagne aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.
Die Antragstellerin ist als Ersatzkasse Teil der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der Antragsgegner ist ein Verband der privaten Krankenversicherungen (PKV). Ihm gehören nahezu alle privaten Krankenkassen in Deutschland an. Zweck des Verbandes ist die Vertretung seiner Mitgliedsunternehmen und die Förderung der Interessen der privaten Krankenversicherungen.
In der Bundesrepublik Deutschland bestehen die gesetzlichen und die privaten Krankenkassen nebeneinander (sog. Dualität). Die Reform des deutschen Gesundheitswesens wird seit längerem kontrovers diskutiert. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass gesetzlich und privat Krankenversicherte den gleichen Anspruch auf die nach Maßgabe der jeweiligen medizinischen Indikation bestmögliche Behandlung haben.
Anfang Februar 2006 schaltete der Antragsgegner im Rahmen einer groß angelegten Werbekampagne unter dem Slogan "Für eine gesunde Zukunft" verschiedene, teilweise ganzseitige, bundesweite Anzeigen, u.a. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der Süddeutschen Zeitung (SZ) und der ZEIT. Die Werbung wurde auch im Internet verbreitet. Insgesamt wurden acht Anzeigenmotive verwendet, denen ein einheitlicher Ablauf, nämlich der Dialog verschiedener Organe bzw. Körperteile zugrunde lag. Dieser Dialog wurde durch Sprechblasen dargestellt (Anlagenkonvolut ASt 1). In einer der Anzeigen wurde beispielsweise ausschnittweise ein Mann gezeigt, der einen Säugling auf dem Arm hält. In Höhe des Ohrs des Kindes und in Höhe des Herzbereichs des Mannes befanden sich Sprechblasen. In der zum Kindesohr gehörenden Sprechblase hieß es:
"Ohr: Was, wenn ich mich entzünde? Bekomme ich dann wirklich die beste Behandlung? Wir sind doch nicht privat versichert!"
In der zum Herz gehörenden Sprechblase hieß es dann:
"Herz: Na hör mal! Die Privaten stärken unser Gesundheitssystem jedes Jahr mit 9,5 Milliarden Euro zusätzlich. Denn Privatpatienten zahlen höhere Preise und Arzthonorare. Das kommt allen Versicherten zugute: durch bessere Behandlungsmethoden und modernste Geräte. Damit es auch dir gut geht!"
Die weiteren Anzeigenmotive weisen, bis auf die jeweils einleitenden Sätze in den Sprechblasen, einen identischen Wortlaut auf. Wegen der Gestaltung der Anzeigenkampagne im Einzelnen wird auf das Anlagenkonvolut ASt 1 sowie die Anlage ASt 2 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2006 mahnte die Antragstellerin den Antragsgegner diesbezüglich wegen unzulässiger Spitzenstellungsberühmung, wettbewerbswidriger Angstwerbung sowie Irreführung hinsichtlich des behaupteten zusätzlichen Stärkung des Gesundheitssystems durch die Privaten mit 9,5-Milliarden Euro ab (Anlage ASt 3). Der Antragsgegner ließ jedoch mit Antwortschreiben vom 14. Februar 2006 mitteilen, dass er nicht bereit sei, die verlangte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben (Anlage ASt 4). Ebenfalls am 14. Februar 2006 reichte der Antragsgegner eine entsprechende Schutzschrift beim Landgericht Hamburg ein (Aktenzeichen 315 AR 77/06).
Nachfolgend erwirkte die Antragstellerin die vorliegende einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, vom 17. Februar 2006, Aktenzeichen 315 O 151/06, mit welcher dem Antragsgegner bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, wie nachfolgend in Anlagenkonvolut ASt 1 wiedergegeben zu werben.
Mit der Beschlussverfügung wurden die als Anlagenkonvolut ASt 1 zur Akte gereichten 8 Anzeigen fest verbunden.
Auf den Widerspruch des Antragsgegners hat das Landgericht diese einstweilige Verfügung mit Urteil vom 29. März 2006, Aktenzeichen 315 O 151/06, bestätigt. Gegen dieses Urteil hat der Antragsgegner frist- und formgerecht Berufung eingelegt und diese auch frist- und formgerecht begründet.
Zur Begründung seiner Berufung wiederholt und vertieft der Antragsgegner seinen erstinstanzlichen Vortrag, wonach sich aus den streitgegenständlichen Anzeigen keine Alleinstellungsberühmung ergebe. Vielmehr werde der in der ersten Sprechblase aufgeworfenen Frage einer etwaigen Besserstellung der Privatpatienten in der zweiten Sprechblase jeweils ausdrücklich widersprochen. Maßgeblich sei insoweit die Gesamtaussage der einzelnen Anzeige, nicht jedoch eine isolierte Betrachtung der ersten Sprechblase.
Die Angabe "Die Privaten stärken unser Gesundheitssystem jedes Jahr mit 9,5 Milliarden Euro zusätzlich" sei zutreffend. Das ergebe sich aus der als Anlage CBH 12 zur Akte gereichten Studie "Der überproportionale Finanzierungsbeitrag der PKV im Jahr 2004" des Wissensc...