Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 417 HKO 106/20)

 

Tenor

I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20.11.2020, Az.: 317 HKO 106/20, wird - soweit die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag zu Ziff. I.2. nicht bereits zurückgenommen hat - zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz fallen in Abänderung der Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20.11.2020 (dort Ziff. II.) der Antragstellerin zu 1/3 und der Antragsgegnerin zu 2/3 zur Last.

IV. Das Urteil ist vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln, u.a. solchen zur Behandlung der feuchten altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD).

In diesem Indikationsbereich ist die Antragstellerin Inhaberin der Zulassung für das Mittel Y. (Wirkstoff F.). Die Antragsgegnerin lässt in Deutschland über die Novartis Pharma GmbH u.a. das Wettbewerbsprodukt U. (Wirkstoff C.) vertreiben, das ebenfalls für die Behandlung der nAMD zugelassen ist. Beide Mittel werden mittels einer Spritze in den Augapfel injiziert (intravitreale Injektion). Die Antragsgegnerin ist in einer - englischsprachigen - Präsentation, die werbliche Angaben zu U. enthält und auf einem virtuell ausgerichteten Fachkongress (EURETINA 2020) gezeigt wurde, als für die Präsentation verantwortliches Unternehmen bezeichnet. Die Startseite der Präsentation liegt dem Gericht als Anlage AST 19 vor.

Die Antragstellerin hat aus der Gesamtpräsentation 3 Werbeangaben als irreführend angegriffen, und zwar jeweils in Gestalt der aus den Anlagen A - C zum Verfügungsantrag ersichtlichen konkreten Verletzungsformen. Die Anlagen geben die Seiten 2, 3 und 6 der Präsentation wieder. Sie betreffen jeweils u.a. die Ergebnisse der beiden Zulassungsstudien WK. und WR. für U., die als Nichtunterlegenheitsstudien gegenüber dem Wirkstoff F. ausgelegt waren (primärer Endpunkt), aber als sekundäre Endpunkte jedenfalls auch darauf ausgerichtet waren, das Maß der durch die miteinander verglichenen Arzneimittel erzielbaren Flüssigkeitsreduktion zu ermitteln. Die nAMD führt bei den Betroffenen u.a. zu einer Ansammlung unter der Netzhaut vorkommender (subretinaler) Flüssigkeit (SRF) und innerhalb der Sinnes- und Nervenzellen vorkommender (intraretinaler) Flüssigkeit (IRF). Beide Flüssigkeiten treten aus durch die Krankheit neu gebildeten Blutgefäßen aus. In der Fachinformation für U. (Anlage Ast 3) sind die Ergebnisse der WK.- und WR.-Studien zur Flüssigkeitsreduktion von SRF und IRF unter Ziff. 5.1 "Pharmakodynamische Eigenschaften" wie folgt dargestellt:

"In Woche 16 war der prozentuale Unterschied von Patienten mit IRF- und/oder SRF-Flüssigkeit bei U. im Vergleich zu F. in beiden Studien statistisch signifikant (WK.: 34 % vs. 52 %; WR.: 29 % vs. 45 %). Dieser Unterschied war auch in Woche 48 statistisch signifikant (WK.: 31 % vs. 45 %; WR.: 26 % vs. 44 %) und blieb bis zum Ende jeder Studie in Woche 96 bestehen (WK.: 24 % vs. 37 %; WR.: 24 % vs. 39 %)."

Der infolge der Behandlung mit den Prüfpräparaten eingetretene statistisch signifikante Unterschied zwischen den Präparaten U. und Y. im Bereich der Flüssigkeitsreduktion ergibt sich für U./C. jedoch allein bei aggregierter Betrachtung von SRF und IRF. Nach einer im November 2019 vom Konzern der Antragsgegnerin auf einem Fachkongress vorgestellten ergänzenden Analyse der Studiendaten von WK. und WR. ist ein statistisch signifikanter Vorteil der Behandlung mit U. gegenüber Y. lediglich im Bereich der subretinalen Flüssigkeit (SRF), nicht aber im Bereich der intraretinalen Flüssigkeit (IRF), von der allgemein anerkannt ist, dass sie die Funktion der Sinneszellen beeinträchtigen kann, festgestellt worden. Die Parteien streiten darüber, ob dies auch für die SRF gilt.

Die Antragstellerin hat - soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung - u.a. beantragt,

der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verbieten,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das Arzneimittel U.* (Wirkstoff: C.) im Vergleich zu dem Arzneimittel Y.* (Wirkstoff: F.)

1...

2...

3. Mit der Angabe "überlegene Flüssigkeitsauflösung, die andauert" "superior fluid resolution that lasts" zu werben, wenn dies wie in Anlage C geschieht.

Sie hat behauptet, die angegriffene Angabe rufe beim angesprochenen Fachverkehr im Kontext der weiteren aus der Anlage C ersichtlichen Angaben die Verkehrsvorstellung hervor, dass für U. eine gegenüber F./Y. überlegene Reduktion sowohl hinsichtlich der intraretinalen (IRF) als auch der subretinalen (SRF) Flüssigkeit nachgewiesen sei, und zwar sowohl bei aggregierter als auch bei isolierter Betrachtung der IRF/SRF. Die im November 2019 vom Konzern der Antragsgegnerin vorgelegte differenzierte Analyse habe gezeigt, dass ein statistisch signifikanter Unterschied in der Flüssigkeitsreduktion von C. im Vergleich zu F. lediglich hinsichtlich der...

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