Leitsatz (amtlich)

1. Sind werbliche Angaben streitgegenständlich, die sich auf Power-Point-Folien/Slides finden, die wiederum Gegenstand eines wissenschaftlichen Vortrags waren, dann ist die einem Unterlassungsanspruch zugrundeliegende konkrete Verletzungsform durch die Vorlage allein der Slides hinreichend dargetan, wenn unstreitig oder glaubhaft gemacht ist, dass der Referent den Inhalt der Slides einschränkungslos wiedergegeben hat.

2. Für irreführende werbliche Angaben zu einem Arzneimittel, die von einem Referenten im Rahmen eines auf einem Symposium gehaltenen wissenschaftlichen Vortrages verbreitet werden, der dafür vom Arzneimittelhersteller zur Verfügung gestellte Power-Point-Folien/Slides verwendet, haftet der Arzneimittelhersteller unter dem Gesichtspunkt der Beauftragtenhaftung (§ 8 Abs. 2 UWG) jedenfalls dann, wenn er Veranstalter des Symposiums ist und die Möglichkeit hat, bestimmenden Einfluss auf den Vortragsinhalt zu nehmen. In einem solchen Fall wird der Referent gezielt als Werbeträger eingesetzt.

3. Ergibt sich eine werblich herausgestellte Überlegenheit eines Arzneimittels gegenüber einem Wettbewerbspräparat wegen einer bestimmten Eigenschaft nach dem Ergebnis einer klinischen Studie nur aus der Kumulation zweier untersuchter Parameter, dann wird der angesprochene Fachverkehr in die Irre geführt, wenn die werbliche Darstellung den tatsächlichen Eindruck erweckt, dass die beworbene Überlegenheit in der Studie auch hinsichtlich jedes einzelnen Parameters festgestellt worden ist.

4. Auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen gestützte Werbeangaben zur überlegenen Wirksamkeit des beworbenen Arzneimittels gegenüber einem Wettbewerbspräparat sind unter dem Gesichtspunkt fehlender hinreichender wissenschaftlicher Absicherung irreführend, wenn die miteinander verglichenen Werte der Arzneimittel nicht mittels einer Head-to-head-Studie, sondern im Rahmen von Einzeluntersuchungen mit unterschiedlichen Versuchsbedingungen ermittelt worden sind.

 

Normenkette

HWG § 3; UWG §§ 3, 3a, 8 Abs. 1-2, 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 416 HKO 79/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.9.2020, Geschäfts-Nr. 416 HKO 79/20, abgeändert.

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Antragsgegnerin unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), weiter

verboten,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das Arzneimittel "O." (Wirkstoff: C.) mit folgenden Angaben und/oder Darstellungen zu werben:

I.1 bis I.4 (...)

I.5 mit Angaben zu einer Erhöhung der Patientenanzahl mit vollständigem Rückgang retinaler Flüssigkeit im Vergleich zu F., wie nachstehend wiedergegeben:

((Abbildung))

I.6 Mit Angaben zur Reduktion der Patientenanzahl mit anhaltender retinaler Flüssigkeit im Vergleich zu F., wie nachstehend wiedergegeben:

((Abbildung))

Die Berufung der Antragsgegnerin wird, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits des Berufungsverfahrens sowie des erstinstanzlichen Verfahrens - insoweit in Abänderung der Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.9.2020 - haben die Antragstellerin 2/5 und die Antragsgegnerin 3/5 zu tragen.

III. Das Urteil ist vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes wegen verschiedener Werbeaussagen für das von dieser vertriebene Arzneimittel "O." auf Unterlassung in Anspruch.

Die Parteien vertreiben u. a. Arzneimittel zur Behandlung der sog. feuchten bzw. neovaskulären altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD). In diesem Indikationsbereich ist die Antragstellerin Inhaberin der Zulassung für das Mittel "Y." (Wirkstoff: F.). Die Antragsgegnerin vertreibt in Deutschland u.a. das Arzneimittel "O." (Wirkstoff: C.). Beide Präparate werden intravitreal verabreicht, d.h. mittels einer Fertigspritze in den Glaskörper des Auges injiziert.

"O." ist im Februar 2020 zugelassen worden. In den Zulassungsstudien WK. und WR. (Anlage AST 8) wurde C. im direkten Vergleich zu F. untersucht. Beide Zulassungsstudien waren im Hinblick auf die Wirksamkeit als Nichtunterlegenheitsstudien angelegt (primärer Endpunkt). Im Rahmen des sekundären Endpunkts ermittelten die Studien u.a. das Maß der durch die miteinander verglichenen Arzneimittel erzielbaren Flüssigkeitsreduktion. Die nAMD führt bei den Betroffenen u.a. zu einer Ansammlung unter der Netzhaut vorkommender (subretinaler) Flüssigkeit (SRF) und innerhalb der Sinnes- und Nervenzellen vorkommender (intraretinaler) Flüssigkeit (IRF). Beide Flüssigkeiten treten aus durch die Krankheit neu gebildeten Blutgefäßen aus. In der Fachinformation für "O." (Anlage AST 3) sind die Ergebnisse der WK.- und WR.-St...

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