Leitsatz (amtlich)

Ein TV-Spot mit vergleichender Preis-Werbung eines Telefondienstanbieters ist nach den Umständen des Einzelfalles als unsachlich unzulässig, wenn zu Lasten des Mitbewerbers über dessen Preisstellung ein schiefes Bild entsteht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Das ist der Fall, wenn für Inlandsferngespräche neben den verglichenen Minutenpreisen der Vorteil einer fehlenden Monatsgrundgebühr hervorgehoben wird und dabei ein Mitbewerber-Tarif mit einer höheren Grundgebühr genannt wird, obwohl es im Bereich der verglichenen Inlandsferngespräche einen Tarif dieses Mitbewerbers mit einer niedrigeren Grundgebühr gibt.

Weder Art. 5 GG noch die EuGH-Grundsätze zur vergleichenden Werbung stehen dem Verbot entgegen.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 22.08.2003; Aktenzeichen 416 O 88/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 22.8.2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Urteilsausspruch des LG in Ziff. 1. b) sowie Ziff. 2.) jeweils nach dem Wort "Geschäftstätigkeiten" eingefügt wird: "seit dem 17.1.2003".

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 192.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

In Übereinstimmung mit der richterlichen Verfügung des LG Hamburg vom 11.9.2003 wird der Wert des Streitgegenstandes für die erste Instanz auf 200.000 Euro festgesetzt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 200.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin, das größte deutsche Telekommunikations-Unternehmen, betreibt ein bundesweites Telefonnetz und stellt den Verbrauchern auch die Telefonanschlüsse zur Verfügung. Die Beklagte vermittelt ebenfalls Telefongespräche im Festnetz und steht mit der Klägerin im Wettbewerb.

Die Klägerin warb für ihre Telefondienstleistung mit einem TV-Werbespot von 30 Sekunden Dauer (vgl. die Aufzeichnung auf der CD-ROM 71/03, d. i. die Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 19.12.2003 der Verfügungsakte gleichen Rubrums OLG Hamburg 3 U 71/03; vgl. dazu vorliegend noch das Story-Board der TV-Spot-Sendung vom 17.1.2003: Anlage K 5, vgl. Anlage B 1).

Die Klägerin beanstandet die Werbung mit dem TV-Spot als wettbewerbswidrig und nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und deren Zinspflichtigkeit bezüglich der verauslagten Gerichtskosten in Anspruch.

In dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums (LG Hamburg 416 O 9/03) erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte am 23.1.2003 eine Beschlussverfügung, der Verbotsausspruch stimmt mit dem vorliegend in erster Instanz gestellten Klageantrag zu 1) a) überein. Mit Urteil vom 28.2.2003 hat das LG seine einstweilige Unterlassungsverfügung bestätigt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist durch Urteil des Senats vom 25.3.2004 zurückgewiesen worden (OLG Hamburg 3 U 71/03). Auf die Beiakte OLG Hamburg 3 U 71/03 mit allen Entscheidungen wird Bezug genommen.

Seit der Liberalisierung des Marktes für Telefondienstleistungen im Festnetz ab 1998 bieten diese Leistungen eine Vielzahl von Unternehmen an. Die Telefonkunden haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, statt der Verbindung über die Klägerin die Dienstleistungen der neuen Anbieter zu wählen: Zum einen können sich die Kunden bei einer sog. dauerhaften Voreinstellung ("Pre-Selection") dafür entscheiden, dass automatisch alle mit einer Ortskennzahl (mit der Ziff. "0") beginnenden Gespräche durch einen bestimmten Wettbewerber vermittelt werden. Zum anderen können die Fernsprechteilnehmer den Wettbewerber der Klägerin, der ein einzelnes Gespräch vermitteln soll, durch die jeweilige Angabe der speziellen, dem Mitbewerber zugeteilten Verbindungsnetzbetreiber-Kennzahl auswählen ("Call-by-Call").

In ihren Tarifen differenzieren die Anbieter von Telefondienstleistungen zwischen unterschiedlichen Tarifbereichen (z.B. im City-Bereich oder außerhalb) zu verschiedenen Wochentagen und Zeiten.

Die Beklagte bietet die Vermittlung von Telefongesprächen im Festnetz sowohl über "Pre-Selection" als auch "Call-by-Call" an.

Der beanstandete TV-Spot (vgl. diesen auf der CD-ROM 71/03; vgl. auch das Story-Board gem. Anlagen K 5 und B 1) zeigt - mit einem senkrechten Strich voneinander getrennt - zwei Frauen, die jeweils an einem Tisch sitzen und miteinander telefonieren. Zunächst ruft die Frau links die andere an, später im Laufe des Spots ist es umgekehrt. Der untere breite Rand zeigt links auf rotem Grund den schwarz geschriebenen Hinweis "TELE 2" und rechts auf schwarzem Grund in weißer Schrift die Angabe "Deutsche Telekom"; so lange die Frauen im Spot zu sehen sind, bleibt diese Einblendung bestehen.

Der Spot beginnt mit der Stimme aus dem Hintergrund: "Kerstin aus Bonn und Ann...

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