Leitsatz (amtlich)
1. Die für ein Verfügungsverfahren erforderliche Dringlichkeit ist entfallen, wenn das beanstandete Verhalten zu lange (hier: mehr als 6 Monate) hingenommen worden ist.
2. Kabelnetzbetreiber der Netzebene 4 (Radio- und TV-Netze der Haus- und Privatgrundverkabelung) können von den Betreibern der davor geschalteten Netzebene 3 nicht verlangen, dass diese am Übergabepunkt zur Netzebene 4 Programme sperren, deren Durchleitung die Betreiber der Netzebene 4 nicht wünschen.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; UWG § 25; BGB § 1004
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 16. August 2000 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 200.000.– DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Antragstellerin ist Kabelnetzbetreiberin zur Übertragung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, und zwar auf der sogenannten „Netzebene 4”, d. h. im Bereich der Verkabelung auf privatem Grund und der Hausverkabelung.
Die Antragsgegnerin zu 1) ist das größte deutsche Telekommunikationsunternehmen. Die Antragsgegnerin zu 2) betreibt die Verkabelung auf öffentlichem Grund, insbesondere im Bereich der Straßen (auf der sogenannten „Netzebene 3”), sie ist Eigentümerin der früher der Antragsgegnerin zu 1) gehörenden Netze; daneben betreibt die Antragsgegnerin zu 2) auch eigene Netze der Netzebene 4 mit 6 Millionen Endkunden (Kabelanschlussnehmern, Fernsehteilnehmern). Die Antragsgegnerin zu 3) veranstaltet und vermarktet u. a. das Programmpacket „Mxxxxxxxxx”. Die Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) sind 100%ige Töchter der Antragsgegnerin zu 1).
Die Antragstellerin beanstandet, dass die Antragsgegnerinnen zu den Endkundendigitale Fernsehprogramme oder Dienste ohne ihre (Antragstellerin) Zustimmung über ihre (Antragstellerin) Kabelnetze transportierten. Sie nimmt die Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.
Die Antragstellerin versorgt als Kabelnetzbetreiberin auf der Netzebene 4 im Hamburger Raum Wohnungen mit Rundfunk- und Fernsehprogrammen. Die Nutzung der Anlagen macht die Antragstellerin von dem Abschluss entgeltlicher Verträge mit den Programmempfängern (mit den Wohnungsinhabern) abhängig. Die Rundfunk- und Fernsehsignale in den Anlagen empfängt sie aus den Breitbandkabelnetzen der Antragsgegnerin zu 2), sie werden über die Netzebene 3 der Antragsgegnerin zu 2) an den sogenannten Übergabepunkt (ÜP 40) geleitet. Der Übergabepunkt liegt im allgemeinen entweder an der Grundstücksgrenze zwischen öffentlichem und privatem Grund oder im Keller eines Hauses. Die Netzebene 4 nach dem Übergabepunkt kann ein einzelnes Haus, mehrere Häuser oder eine ganze Wohnsiedlung betreffen.
Das vorliegende Verfügungsverfahren betrifft nur den Empfang des Fernsehsignals aus dem Breitbandkabelnetz, dagegen nicht über eigene Satellitenempfangsanlagen.
Die in die Netzebene 3 eingespeisten Signale erreichen die an die Netzebene 4 angeschlossenen Haushalte automatisch, indem sie sowohl durch die Netzebene 3 der Antragsgegnerin zu 2) als auch durch die Netzebene 4 – und damit auch durch die Netze der Antragstellerin – gelangen.
Analoge Programme liefert die Antragsgegnerin zu 2) über ihr Breitbandkabelnetz der Netzebene 3 am Übergabepunkt an. Auf Grund einer vertraglichen Beziehung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 2) werden die Programme vom Übergabepunkt durch die Netze der Antragstellerin – in der Netzebene 4 – an deren Endkunden weitergeleitet.
Fürverschlüsselte digitale Programme gelten andere Vertragsverhältnisse. Für diese benötigt der Endkunde einen Decoder, der bei Zahlung der Abonnementsgebühren für bestimmte Programmangebote freigeschaltet wird; hierzu wird dem Abonnenten eine sogenannte Smartcard ausgehändigt. Der Decoder überträgt die ankommenden Digitalsignale in – für das TV-Geräte wiedergebbare – analoge Signale und schaltet einzelne Programme entsprechend der Zahlung bzw. Nichtzahlung der Abonnementsgebühren frei bzw. ab. Über den Decoder werden außerdem diejenigen Fernsehprogramme abgerechnet, die nach Verbrauch bezahlt werden (z. B. „pay per view” oder „Video on demand”), der Decoder wird auch für die neuen interaktiven Angebote wie Internet oder „Home Shopping” benötigt. Mit der Ausgabe der Smartcard und dem Abschluss eines Abonnementsvertrages kommt eine direkte Vertragsbeziehung zwischen dem Programmveranstalter und dem Endkunden zustande.
Die Antragsgegnerin zu 3) bietet seit 3. November 1999 das verschlüsselte Programmpacket „Mxxxxxxxxx” den Endkunden an. Interessenten, die Abonnenten der Antragsgegnerin zu 3) werden wollen, müssen sich deswegen an die Antragsgegnerinnen wenden.
Die Antragsgegnerin zu 3) beabsichtigt die Einspeisung des – verschlüsselten – Textdienstes „Hxxxxxxxx”; bei diesem Homeshoppingkanal kann der Endteilnehmer per Fernbedienung über den Rückkanal des Kabelnetzes oder per Telefon Best...