Leitsatz (amtlich)
Der Frachtführer ist aufgrund seiner so genannten sekundären Behauptungslast gehalten, die in seinem eigenen Geschäftsbereich liegenden Vorgänge und Abläufe detailliert darzustellen. Gleicht er das Informationsdefizit des Anspruchstellers nicht durch einen entsprechenden Sachvortrag aus, so ist von einem leichtfertigen Verhalten im Sinne des Art. 29 CMR auszugehen, das wiederum den Rückschluss auf das Bewusstsein einer Schadenswahrscheinlichkeit zulassen kann.
Der Umstand, dass der Frachtführer von seinem Unterfrachtführer zum Schadenshergang keine Informationen erhalten hat, vermag ihn nicht zu entlasten.
Normenkette
CMR Art. 29
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 415 O 33/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Hamburg, Kammer 15 für Handelssachen, vom 13.8.2001 (Az.: 415 O 33/01) wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.026 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % für die Zeit vom 19.8.2000 bis zum 18.9.2000 und 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz seit dem 19.9.2000 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Z.-GmbH in H. erteilte am 31.8.1999 der Beklagten mit Telefax einen Transportauftrag, mit welchem aus Kanada importierte und von der Beklagten in Hamburg entgegengenommene und abgefertigte Filtermodule von dort nach Perthes en Gatinais zum Preis von 1.920 DM netto befördert werden sollten. Als Anlieferadresse wurde A. & P., Attn.: OTV P. benannt. Die Beklagte ließ den Transport durch die Speditionsgesellschaft W. & S. durchführen. Am 6.10.1999 setzte die Firma OTV durch den genannten P. auf ein Empfangsdokument der Firma T.P. auf ein Empfangsdokument folgenden Text:
„Wir äußern Vorbehalte über den Zustand der Kartons, der sich seit unserem Besuch im Lager verschlechtert hat: Große Dellen und aufgerissene Kartons bei den meisten Stücken mit Ausnahme des auf einer Kiste befestigten Kartons – Beschädigung der Fasern möglich.”
An der für die Abladung bestimmten Baustelle wurden die Kartons fotografisch dokumentiert. Die Klägerin erteilte unter dem 12.2.2000 dem Kläger als Transportversicherer eine Entschädigungsquittung und Abtretungserklärung über 15.697,50 DM. Dieser macht den Schaden durch Rückgriff gegenüber der Beklagten geltend.
Der Kläger macht geltend, die Ladung sei, als sie am 6.10.1999 an der Baustelle eingetroffen sei, in der Weise beschädigt gewesen, dass von acht beschädigten Membranen zwei Stück nicht mehr zu reparieren gewesen seien und sechs weitere repariert werden müssten unter Einsatz des örtlich eingesetzten Ingenieurs B.
Nach dem Stückpreis von 7.455 DM errechne sich ein Verlustschaden unter Einrechnung von Fracht und Soll von 15.478,39 DM und ein Reparaturaufwand von 1.087,50 DM.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist auch sachlich gerechtfertigt.
I. Das LG hat im Einzelnen zutreffend ausgeführt, dass der Kläger aus übergegangenem/abgetretenem Recht der Firma Z.-GmbH als Absenderin des in Rede stehenden Transportvertrages i.S.d. Art. 1 Abs. 1 CMR aktivlegitimiert ist und dass sich die Haftung der Beklagten dem Grunde nach aus Art. 17 Abs. 1 CMR ergibt, weil die teilweise Beschädigung der Ladung in der Zeit zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme der Güter zur Beförderung und dem ihrer Ablieferung eingetreten ist. Auf die Ausführungen des LG unter 1. und 2. der Entscheidungsgründe kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden
II. Entgegen der Auffassung des LG ist die Klage auch der Höhe nach vollen Umfangs gerechtfertigt, weil die Beklagte im vorliegenden Fall gem. Art. 29 CMR unbeschränkt haftet.
Da der Beförderungsvertrag nach dem 1.7.1998 abgeschlossen worden ist, steht allerdings nach dem Recht des angerufenen Gerichts gem. § 435 HGB n.F. nur ein Verhalten des Frachtführers oder eines seiner Gehilfen i.S.d. Art. 3 CMR dem Vorsatz gleich, das leichtfertig und in dem Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erfolgt ist. Auch bei dieser Verschuldensform muss der Frachtführer seiner sog. sekundären Behauptungslast für die in seinem eigenen Geschäftskreis liegenden Vorgänge und Abläufe genügen. Gleicht er das Informationsdefizit des Anspruchstellers nicht durch einen entsprechenden detaillierten Sachvortrag aus, so ist von einem leichtfertigen Verhalten i.S.d. Art. 29 CMR auszugehen, das wiederum den Rückschluss darauf zulassen kann, dass es vom Bewusstsein getragen wurde, ein Schadenseintritt drohe mit Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH TranspR 2001, 29 ff.; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 29 CMR Rz. 7, § 435 HGB Rz. 20, 21; OLG Hamburg v. 8.11.2001 – 6 U 5/01; st. Rspr.). Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass es der Beklagten bzw. ihren Erfüllungsgehilfen bei ordnungsgemäßer Organisation ohne weiteres möglich gewesen wäre, die genaue Schadensursache festzustellen, zu dokumentieren und wiederzugeben. Die Beklagte hat...