Leitsatz (amtlich)
1. Treffen die eigenständigen Qualifikationstatbestände des § 244 I Nr. 1 und 3 StGB zusammen, ist eine tateinheitliche Verurteilung auch aus Gründen der klarstellenden Funktion der Tateinheit geboten.
2. Dem wegen einer neuen Straftat drohenden Bewährungswiderruf in anderer Sache kommt für sich keine strafmildernde Wirkung zu; dieser Umstand ist vielmehr im Rahmen der stets gebotenen Bestimmung des mit der Verurteilung drohenden Gesamtstrafübels zu berücksichtigen (entgegen OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. September 2010 - 3 RVs 117/10, NStZ-RR 2011, 105).
3. Die trotz "erheblicher Bedenken" angenommene positive Sozialprognose lässt regelmäßig die Anwendung eines unzutreffenden rechtlichen Maßstabs besorgen.
Normenkette
StGB § 244 Abs. 1 Nrn. 1, 3, §§ 46, 52, 56 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 26.05.2016) |
Tenor
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. Mai 2016 unter Aufrechterhaltung der Feststellungen im gesamten Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hatte den einschlägig vorbestraften und deshalb der Bewährungsüberwachung unterstehenden Angeklagten am 16. Februar 2015 von dem Vorwurf des versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls - wegen strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch - freigesprochen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin verurteilte ihn das Landgericht wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr. Hiergegen haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt; beide führen diese mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Die Staatsanwaltschaft hat ihr zu Ungunsten des Angeklagten geführtes Rechtsmittel auf den "Strafausspruch" beschränkt.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte öffnete am Tattag gegen 1.20 Uhr unter Zuhilfenahme eines Messers das verschlossene Küchenfenster zur Erdgeschosswohnung der Eheleute G und "stieg sodann durch das Fenster" in die Wohnräume ein (UA S. 5). Hier löste er einen größeren Flachbildfernseher von der Verkabelung, stellte ihn zum Abtransport bereit und versuchte, die Wohnungstür von innen zu öffnen. Dies misslang ihm wegen Besonderheiten am Türschloss.
Wegen der hierdurch verursachten Geräusche wachte die zuvor in dem - nur durch einen Vorhang vom anderen Zimmer getrennten - Nebenzimmer schlafende Zeugin K G auf und nahm die Anwesenheit eines Einbrechers wahr. Sie rief daraufhin laut den Namen ihres neben ihr schlafenden, schwerhörigen 89-jährigen Ehemannes. Da sich der Angeklagte "angesichts der Größe des Fernsehgerätes, der Anordnung des Küchenfensters und der Notwendigkeit, den Rollladen zu überwinden" nun nicht mehr in der Lage sah, "das Fernsehgerät aus der Wohnung mitzunehmen, ohne erwischt zu werden", stieg er "durch das Küchenfenster" nach draußen und floh (UA S. 7).
Die Berufungsstrafkammer hat von der Verurteilung wegen eines Diebstahls mit Waffen abgesehen. Zu Begründung hat sie darauf abgehoben, dass sie sich nicht habe davon überzeugen können, dass der Angeklagte das zum Aufhebeln des Küchenfensters eingesetzte Messer auch mit in die Wohnräume genommen habe.
II.
Die Revision des Angeklagten hat lediglich zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
1. Der Schuldspruch lässt keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen. Die vollständigen und widerspruchsfreien Feststellungen basieren auf einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung. Die Berufungsstrafkammer hat namentlich mit in jeder Hinsicht plausiblen Erwägungen die - vor dem Hintergrund des vom Beschwerdeführer selbst weitgehend eingeräumten Tatgeschehens - vollständig abwegige Einlassung, er habe die Wohnung, einer "Eingebung" folgend, "dass er ja auf Bewährung sei" (UA S. 8) aus autonomen Motiven verlassen, nicht geglaubt.
2. Hingegen hält der Rechtsfolgenausspruch - auch eingedenk des beschränkten Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urt. v. 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; v. 24. März 2015 - 5 StR 183/16, BeckRS 2016, 13113) - revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Bereits die Strafrahmenwahl des Landgerichts ist durchgreifend fehlerhaft.
a) Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist - etwa mit § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB - auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der Sonderstrafrahmen in Betracht kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen - unvertypten - Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirkliche...