Leitsatz (amtlich)

Die Durchführung des Parallelvertriebs eines zentral zugelassenen, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in Verkehr gebrachten Arzneimittels in Deutschland setzt nicht voraus, dass die EMEA den ordnungsgemäß angezeigten Parallelvertrieb zuvor prüft und genehmigt. Für ein derartiges "Vorab-Genehmigungsverfahren" fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 29.04.2008; Aktenzeichen 312 O 82/08)

 

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 29.4.2008 (Aktenzeichen: 312 O 82/08) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin gehört zur Amgen-Gruppe, die das in der EU zentral zugelassene Arzneimittel "Neulasta" herstellt und vertreibt. Die Antragsgegnerin ist als Parallelimporteurin tätig.

Die Antragstellerin geht gegen die Antragsgegnerin aus Wettbewerbsrecht (§ 4 Nr. 11 UWG) vor und macht geltend, die Antragsgegnerin sei zum Parallelvertrieb von aus der EU bezogenen Neulasta-Packungen in Deutschland nicht befugt, bevor die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA) den Parallelvertrieb genehmigt habe. Hilfsweise macht die Antragstellerin geltend, Voraussetzung für die Aufnahme des Parallelvertriebs in Deutschland durch die Antragsgegnerin sei zumindest, dass eine Notifizierung des Parallelvertriebs und die Zahlung der dafür von der EMEA geforderten Gebühr erfolgt seien.

Im Zeitraum Dezember 2005 bis Februar 2006 kam es im Hinblick auf ein anderes Arzneimittel der Antragstellerin (Aranesp) zu einem Schriftverkehr zwischen den Parteien (Anlage AG 20). Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, wegen dieses Schriftwechsels habe die Antragstellerin bereit Kenntnis davon gehabt, dass die Antragsgegnerin es ablehne, vor Aufnahme des Parallelvertriebs ein Genehmigungsverfahren bei der EMEA zu durchlaufen und dafür eine Gebühr zu zahlen.

Unter dem 30.3.2007 zeigte die Antragsgegnerin ggü. der EMEA (Anlage AG 4) und dem BfArM (Anlage AG 10) den beabsichtigten Parallelvertrieb des aus Italien importierten Arzneimittels "Neulasta 6 mg solution for injection, EU/1/02/227/001b" in Deutschland an. Der Anzeige an die EMEA, die "cc" auch an das BfArM übersandt wurden, waren ausgefüllte EMEA-Formulare "NOTIFICATION OF PARALLEL DISTRIBUTION OF A CENTRALLY AUTHORISED MEDICINAL PRODUCT" beigefügt (Anlage AG 4). Am 4.4.2007 wurde der Antragsgegnerin vom BfArM im Hinblick auf den Parallelimport von Neulasta die Verkehrsfähigkeit bescheinigt (Anlage AG 11).

Mit Schreiben vom 18.4.2007 zeigte die Antragsgegnerin auch der Antragstellerin den beabsichtigten Parallelvertrieb an (Anlage AG 6). Unter dem 24.4.2007 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Übersendung eines Musters auf (Anlage AG 7). Die Antragsgegnerin antwortete zunächst mit einer Zwischennachricht vom 27.4.2007, in der die Übersendung des erbetenen Musters angekündigt wurde, sobald die Antragsgegnerin über Fertigware verfüge (Anlage AG 8).

Im August und September 2007 forderte die EMEA die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Prüfung des angezeigten beabsichtigen Parallelvertriebs zur Zahlung einer Gebühr auf (vgl. 2. Absatz im Schreiben gem. Anlage AS 5). Die Antragsgegnerin zahlte die Gebühr nicht.

Am 15.11.2007 war der Parallelvertrieb von Neulasta durch die Antragsgegnerin in der IFA-Liste (Anlage AG 3) bzw. der WINAPO Lauer-Taxe (Anlage AS 3) öffentlich zugänglich gelistet.

Am 22.11.2007 übersandte die Antragsgegnerin das verlangte Packungsmuster an die Antragstellerin (Anlage AG 9). In dem Schreiben hieß es u.a.:

"Sollten Sie aufgrund dieser Vorabinformation oder des Ihnen aufgrund gesonderter Aufforderung überlassenen Musters Bedenken gegen den Vertrieb, insbesondere gegen die von uns vorgenommene Art und Weise des Umpackens oder der Kennzeichnung erheben, werden wir berechtigterweise erhobenen Bedenken selbstverständlich Rechnung tragen".

Solche Bedenken erhob die Antragstellerin nicht. Die Antragsgegnerin nahm sodann den angezeigten Parallelvertrieb von Neulasta in Deutschland auf.

Unter dem 8.1.2008 übersandte die EMEA an die Antragsgegnerin den aus der Anlage AS 5 ersichtlichen Brief in englischer Sprache. Darin heißt es in der unbeanstandet vorgenommenen Übersetzung der Antragstellerin u.a. wie folgt:

"Betrifft: Rechnungen Nr. ... und Nr. ... für Parallelvertriebs-Bescheide - ausstehende Gesamtsumme 41.760 EUR.

Im Nachgang zur vorhergehenden Korrespondenz vom 14.8.2007 und 27.9.2007 betreffend die o.g. überfälligen Zahlungen mussten wir feststellen, dass die in Bezug genommenen Rechnungen nach wie vor unbezahlt bleiben ...

Das zwingende Verfahren zu Parallel-Vertriebs-Mitteilungen und die damit verbundene Gebühr für die von der EMEA hinsichtlich des Parallelvertriebs erbrachten Verwaltungsdienste sind auch klar in der Anleitung der EMEA zum Parallelvertrieb nach Zulassung beschrieben (http ...).

... wird eine nach dieser Verordnung zu zahlende Gebühr nicht fristgerecht bezahl...

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