Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbung mit Ergebnissen einer Anwendungsbeobachtung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird in einer Fachzeitzschrift für Apotheker und Apothekenmitarbeiter für ein OTC-Arzneimittel mit der Angabe geworben, über 87 % der Anwender hätten die sehr gute/gute Wirksamkeit des Mittels bestätigt, und wird dazu in der Auflösung eines "Stern-chenhinweises" zum Beleg der Werbeangabe auf eine Quelle verwiesen, gehen maß-gebliche Teile des angesprochenen Fachverkehrs davon aus, dass die Angabe zur Wirksamkeit des Mittels auf der Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere durch eine klinische Studie getroffen worden ist.
2. Der Verkehr wird in dem genannten Fall in die Irre geführt, wenn die Werbeangabe le-diglich auf eine apothekenbasierte Anwendungsbeobachtung gestützt ist.
3. Wird mit den Ergebnissen einer apothekenbasierten Anwendungsbeobachtung geworben, so wird der angesprochene Fachverkehr nicht irrtumsausschließend auf die Erhe-bungsmethode hingewiesen, wenn sich in einer Fußnote die Angabe "Quelle: AWB:... [es folgen die Namen der Studienverfasser, der Titel der Studie und ihre Fundstelle]" findet. Der Verkehr erwartet an der fraglichen Stelle der Quellenangabe, nämlich vor der namentlichen Nennung der Verfasser, keinen Hinweis auf die verwendete Erhebungs-methode und ihm ist auch die Buchstabenfolge "AWB" nicht zuverlässig als Abkürzung für "Anwendungsbeobachtung" bekannt.
4. Erkennt der Verkehr dennoch, dass mit den Ergebnissen einer Anwendungsbeobachtung geworben wird, so erwartet er, dass die zitierte Untersuchung im Hinblick auf die werbliche Angabe, deren Beleg sie erbringen soll, methodisch tragfähig ist. Ist Letzteres nicht der Fall, wird der Verkehr über den Grad der Zuverlässigkeit der Untersuchungs-ergebnisse in die Irre geführt.
Normenkette
UWG §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 4 Nr. 11; HWG § 3
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 23.04.2014; Aktenzeichen 408 HKO 96/13) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Kammer 8 für Handelssachen, vom 23.4.2014, Geschäfts-Nr. 408 HKO 96/13, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Verbot zu I. 6) wie folgt lautet:
im geschäftlichen Verkehr für eine Nagelpilz-Therapie mit dem C. Set
und/oder
der C. Creme
6) mit der Aussage
"Über 87 % der Anwender bestätigen sehr gute/gute Wirksamkeit des ... sets*
*Quelle: AWB: H.-J. Tietz, N. Becker, Bifonazol in der Selbstmedikation bei Nagelmykosen, PZ 42/07, 152: 30-36."
zu werben und/oder werben zu lassen,
wenn dies geschieht wie in der als Anlage AS 6 beigefügten Anzeige.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Antragsgegnerin zur Last.
Gründe
A. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Heilmittelwerbe- und Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.
Die Parteien sind Wettbewerber. Die Antragstellerin vertreibt das Arzneimittel L. (Wirkstoff: Amorolfin), welches zur Nagelpilzbehandlung zugelassen ist (Anlage AS 1). Die Antragsgegnerin vertreibt verschiedene Arzneimittel, u.a. das C. set, welches aus der C. Salbe (Wirkstoffe: Bifonazol und Harnstoff), einem Spatel und 15 wasserfesten Pflastern besteht. Zudem vertreibt sie die C. Creme (Wirkstoff: Bifonazol).
Das C. set ist zur "nagelablösenden Behandlung bei Pilzinfektionen der Nägel an Händen und Füßen mit gleichzeitiger antimykotischer Wirkung" zugelassen (Anlage AS 3, dort Ziff. 4.1). Das ... set ist, je nach Ausmaß der Infektion und Nageldicke, 7 bis 14 Tage lang einmal täglich anzuwenden. Dabei gehört zur Behandlung des Fußnagelpilzes ein tägliches Fußbad von 10 Minuten, nachfolgend das Abschaben der aufgeweichten Nagelsubstanz mit dem beiliegenden Spatel und das Auftragen der Salbe auf den betroffenen Fußnagel sowie das Anlegen des Hygiene-Pflasters an dem betroffenen Zeh (Anlagen AS 2 und AS 3). Ziel der Behandlung mit dem C. set ist die vollständige Ablösung des erkrankten Nagelteils. Nach erfolgreicher Ablösung der befallenen Nagelteile mit Hilfe des C. sets ist ausweislich der Fachinformation zur Erreichung eines dauerhaften Behandlungserfolges anschließend einmal täglich eine konsequent durchzuführende antimykotische Behandlung über ca. vier Wochen mit einer Bifonazol-haltigen Creme, wie z.B. C. Creme, erforderlich (Anlagen AS 2 und AS 3, dort Ziff. 4.2).
Die C. Creme ist zugelassen zur Behandlung von "Mykosen der Haut, verursacht durch Dermatophyten, Hefen, Schimmelpilze und andere Pilze, wie Malassezia furfur. Dies können sein z.B. Tinea pedum, Tinea manuum, (einschließlich der Behandlung eines freigelegten Nagelbettes in Folge einer keratolytischen Nagelpilztherapie), Tinea corporis (...)" (Anlage AS 4, dort Ziff. 4.1). In dem von der Antragsgegnerin stammenden "Ratgeber mit Anwendungshinweisen zur Behandlung des Nagelpilz", welcher der Verpackung des C. sets beigefügt wurde, hieß es u.a.:
"Um den langfristigen Behandlungserfolg zu gewährleisten, wird die Weiterbe- handlung bis zum vollständigen Herauswachsen des nun pilzfreien Nagels empfohlen" (Anlage AS 5).
Die Antragste...