Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 18.01.2008; Aktenzeichen 324 O 548/07) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg vom 18.1.2008, Az. 324 O 548/07, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsausspruches gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 7.500 EUR und hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des LG, durch das sie dazu verurteilt worden ist, es zu unterlassen, über den Kläger im Zusammenhang mit dem Mord an W S unter voller Namensnennung zu berichten.
Der Kläger ist zusammen mit seinem Bruder W W - der auf dessen Klage eingeleitete Rechtsstreit 324 O 558/07 = 7 W 51/08 ist von den Parteien übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt worden - im Jahr 1993 wegen Mordes an dem seinerzeit auch in Österreich populären Schauspieler W S zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Die Tat hatte er hebliches Aufsehen erregt. Im Jahr 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, vor dessen Bescheidung er sich auch an die Presse wandte. Im Jahr 2005 wurde der Antrag zurückgewiesen. Im Januar 2008 wurde der Kläger auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen.
Die in der Republik Österreich ansässige Beklagte betreibt von Österreich aus den Internetauftritt "www.rat". Auf diesem befand sich bis zum 18.6.2007 eine auf den 23.8.1999 da tierte Meldung, in der unter der Überschrift "Wird der S -Mord neu verhandelt?" u.a. berichtet wurde:
"W und L wollen beide ihre Unschuld nachweisen - Zeuge tot
... Neun Jahre nach dem Mord an dem Bayerischen Volksschauspieler wollen die beiden Verurteilten eine Neuauflage des Prozesses erzwingen. Der zu lebenslanger Haft verurteilte W W (44) reichte beim BVerfG in Karlsruhe Beschwerde gegen das Urteil ein.
Sein Halbbruder M L (46)... will im September ebenfalls vor das Verfassungsgericht gehen.
S war am 15.7.1990 tot ... gefunden worden ... W und L wurden 1993 ... verurteilt.
Die beiden Brüder beauftragten mit der Verfassungsbeschwerde den ... Rechtsanwalt E. W.: 'Wir wollen beweisen, dass mehrere Hauptbelastungszeugen beim Prozess nicht die Wahrheit gesagt haben ... Meine Mandanten sind unschuldig.' ..."
Diese Meldung hatte die Beklagte 1999 von einem anderen Anbieter übernommen, der über der Meldung auch bezeichnet ist ("Queer News"). Der Kläger ließ die Beklagte mit Schreiben vom 5.6.2007 (Anlage K 2) auffordern, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Die Beklagte antwortete auf dieses Schreiben nicht; sie entfernte aber die beanstandete Meldung am 18.6.2007 um 21:00 Uhr aus ihrem Internetauftritt. Der Kläger sieht in der Verbreitung der beanstandeten Berichterstattung eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Beklagte rügt die Zuständigkeit deutscher Gerichte und Anwendung deutschen Rechts und ist der Auffassung, dass die Verbreitung der beanstandeten Meldung zulässig sei.
Das LG hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass das LG Hamburg nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO international zuständig sei, weil sich das Internetangebot der Beklagten auch an Nutzer in Deutschland richte und auch in Hamburg abrufbar sei. Anwendbar sei deutsches Recht. Die Verbreitung des Namens des Klägers im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über die Tat, wegen der er verurteilt worden ist, verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Angesichts der seit der Verurteilung vergangenen Zeitdauer überwiege das Interesse des Klägers daran, nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden, das Interesse der Öffentlichkeit daran, über seine Beteiligung an dem Tatgeschehen unter Nennung seines Namens informiert zu werden. Der Anspruch richte sich auch auf Unterlassung der Verbreitung älterer Meldungen über das Internet, die im Zeitpunkt ihrer ersten Veröffentlichung rechtmäßig gewesen sein mögen, da einer Privilegierung älterer Meldungen ("Archivprivileg") die Rechtsgrundlage fehle. Ein Haftungsausschluss nach § 3 Abs. 2 TMG sei nicht gegeben, weil auch nach österreichischem Recht ein Unterlassungsanspruch des Klägers bestehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie ist der Auffassung, dass deutsche Gerichte nicht zuständig seien. Ihr Internetangebot sei ausschließlich für österreichische Nutzer bestimmt; eine bestimmungsgemäße Verbreitung der angegriffenen Meldung habe daher nur in Österreich stattgefunden. Damit, dass die Meldung auch von Deutschland aus aufgerufen werde, habe sie nicht zu rechnen brauchen; der Aufruf der Meldung durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers sei zudem nur zu dem Zweck erfolgt, die ...