Leitsatz (amtlich)
1. Die Werbeangaben „Für alle, die ihren deutlich erhöhten Cholesterinspiegel aktiv senken wollen” sowie „Für Menschen mit deutlich erhöhtem Cholesterinspiegel” für ein Streichfett (diätetisches Lebensmittel) mit cholesterinsenkender Wirkung sind unzulässig (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG). Auch der Hinweis auf Krankheitssymptome kann einen Krankheitsbezug herstellen, das ist vorliegend jeweils wegen der Angabe „deutlich erhöht” der Fall, weil erhöhte LDL-Cholesterinwerte ein bedeutsamer Risikofaktor vor allem für Koronarerkrankungen sind. Die Werbebeschränkung gem. § 18 LMBG verstößt wegen des vorrangigen Gesundheitsschutzes nicht gegen Art. 12 GG.
2. Weder die Etikettierungs-Richtlinie 79/112/EWG noch die Diät-Rahmenrichtlinie 89/398/EWG stehen dem Verbot entgegen, von einem abweichenden Krankheitsbegriff ist insoweit nicht auszugehen.
3. Der Umstand, dass der Hersteller des Streichfetts wegen einer Entscheidung der EU-Kommission gehalten ist, auf die cholesterinsenkende Bestimmung des Lebensmittels auch in der Werbung hinzuweisen, rechtfertigt die beanstandeten Angaben jeweils zum „deutlich erhöhten” Cholesterinspiegel nicht.
Normenkette
LMBG § 18 Abs. 1 Nr. 1; UWG § 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 72/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 17.5.2001 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 12.258 Euro (= 200.000 DM) festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der im Jahre 1962 als Selbstkontrollorgan der pharmazeutischen Industrie (BPI) gegründet worden ist. Ihm gehören u.a. der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH), der BPI und der Verband der Reformwarenhersteller (VRH) als Mitglieder an. Seine satzungsgemäße Aufgabe liegt im Erhalt der lauteren Werbung für Gesundheitsprodukte (Anl. K 1–3). Die Beklagte ist ein Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie, sie vertreibt die Diät-Halbfettmargarine „becel pro aktiv”, ein Produkt mit Pflanzensterinen (Phytosterinen; vgl. Anl. K 4–5). Hierfür warb sie in der A. vom 2.10.2000 mit einer Anzeige. Diese enthält u.a. die Hinweise:
„Für alle, die ihren deutlich erhöhten Cholesterinspiegel aktiv senken wollen.”
und
„Für Menschen mit deutlich erhöhtem Cholesterinspiegel gibt es jetzt die neue becel pro-activ.” (Anl. K 6).
Der Kläger beanstandet u.a. diese Werbung (vgl. insgesamt Anl. K 5–7) als wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG und § 3 UWG und nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung in Anspruch. Für die Berufungsinstanz ist nur der Klageantrag zu (b) von Interesse. Die EU-Kommission hatte mit der an die Muttergesellschaft
der Beklagten, die U.U. K., Großbritannien (im folgenden: die U. UK), gerichteten Entscheidung vom 24.7.2000 (ABl. L 200/59 vom 8.8.2000: Anl. K 8 = B 1; im folgenden: EU-Entscheidung) die Genehmigung des Inverkehrbringens von „gelben Streichfetten Phytosterinesterzusatz” als neuartige Lebensmittel oder neuartige Lebensmittelzutaten gem. der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates ausgesprochen (vgl. wegen der EG-Verordnung: ABl. L 43/1 vom 14.2.1997; vgl. als Beiakte die Schutzschrift LG Hamburg 315 AR 576/00, dort: Anl. AG S 2). Nach Art. 2c) der EU-Entscheidung muss darauf hingewiesen werden, dass das Erzeugnis für Personen bestimmt ist, die ihren Cholesterinspiegel im Blut senken möchten; im Einleitungssatz zu Art. 2 der EU-Entscheidung wird diese Bestimmung als gemeinschaftsrechtliche „zusätzliche Etikettierungsanforderung” bezeichnet (Anl. B 1).
Der Kläger hat vorgetragen: Die beiden im Klageantrag zu (b) zitierten Werbeangaben verstießen wegen der Wendung „deutlich überhöhten(m) Cholesterinspiegel” gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG. Das sei ein Hinweis auf eine Stoffwechselkrankheit (Anl. K 9; Beweisantritt Bl. 43), das entspreche der ständigen Rechtsprechung. Die Ausnahmeregelung der EU-Entscheidung rechtfertige die angegriffene Werbung nicht, bei der es nicht um die Optimierung der Gesundheit gehe, sondern mit der jedenfalls auch eindeutig kranke Menschen angesprochen würden. Im Übrigen gehe es bei Art. 2d) der EU-Entscheidung nur um einen Warnhinweis, um eine Selbstmedikation mit Margarine bei Hypercholesterinämie-Patienten zu vermeiden. Die Werbebehauptung, die Margarine könne einen deutlich erhöhten Cholesterinspiegel senken, sei mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse auch irreführend (Bl. 11; Anl. K 12).
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen,
(a) becel pro aktiv Diät-Halbfettmargarine ohne einen Hinweis auf der Packung in den Verkehr zu bringen, wonach Patient...