Leitsatz (amtlich)
(1) Die Haftung des Betreibers eines Online-Marktplatzes für rechtsverletzende Angebote seiner Nutzer beurteilt sich nach im nationalen Recht geregelten Haftungsansätzen der Täterschaft und Teilnahme bzw. der Störerhaftung, die unter den in den Artt. 12-15 der RL 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie) geregelten Voraussetzungen, die keine gesonderte Haftungszuweisung enthalten, Einschränkungen erfahren können.
(2) Der Betreiber eines Online-Marktplatzes bleibt im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (WRP 2011, 1129 - L'Oréal./. eBay) neutral und nimmt keine "aktive Rolle" im Hinblick auf rechtsverletzende Verkaufsangebote seiner Nutzer ein, wenn er bei einem Suchmaschinenbetreiber für bestimmte Suchworte eine sog. Adword-Anzeige schaltet, die dergestalt verlinkt ist, dass der Suchende nach Eingabe des Suchwortes und nach Anklicken der darauf angezeigten Adword-Werbung auf den Suchbereich des Online-Marktplatzes geleitet wird, wo eine dem Suchwort entsprechende Ergebnisliste angezeigt wird, die sowohl rechtmäßige als auch rechtsverletzende Angebote der Marktplatznutzer enthält.
(3) Aus der maßgeblichen Sicht des angesprochenen Verkehrs macht sich der Marktplatzbetreiber unter den genannten Umständen den Inhalt einzelner aus der Suchergebnisliste ersichtlicher Verkaufsangebote nicht haftungsbegründend zu Eigen. Gleiches gilt für vom Suchenden bestellte und automatisch generierte E-Mails des Betreibers, mit denen der Suchende zu dem von ihm ausgewählten Suchwort über auf dem Online-Marktplatz neu eingestellte Angebote informiert wird.
(4) Dem Betreiber eines Online-Marktplatzes ist es nicht zumutbar, etwaige markenverletzende Angebote seiner Nutzer vor deren Veröffentlichung proaktiv herauszufiltern, wenn er sich dafür keiner bereits vorhandenen Software bedienen kann, die in der Lage ist, rechtsverletzende Angebote seiner im geschäftlichen Verkehr handelnden Nutzer zuverlässig elektronisch herauszufiltern, ohne dabei - mit der Folge einer Beeinträchtigung des rechtmäßigen Handels - zugleich auch rechtmäßige Angebote zu unterbinden.
Normenkette
EG-RL 2000/31 Art. 12-15; UWG § 6 Abs. 2 Nrn. 3-4; MarkenG §§ 4, 14; GMVO Art. 9, 102 Abs. 1; UWG § 6 Abs. 2 Nr. 2, § 6 Nr. 6, § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 24.08.2006; Aktenzeichen 315 O 980/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg vom 24.8.2006 abgeändert.
Die Klage wird einschließlich der dazu gestellten Hilfsanträge abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits aller Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des für die Beklagte aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen
Gründe
I. Die Klägerin, Herstellerin von Kinderstühlen, nimmt die Beklagte als Betreiberin einer Internet-Handelsplattform auf Unterlassung aus Markenrecht und Wettbewerbsrecht in Anspruch.
Die Klägerin ist ein in Norwegen ansässiges Unternehmen, welches in Deutschland über eine Tochtergesellschaft seit Jahren den aus der Anlage zum Klageantrag zu I a) abgebildeten Kinderhochstuhl "Tripp Trapp" vertreibt. Sie ist Inhaberin der für Möbel eingetragenen Wortmarken Nr. 396 54 805.9 "TRIPP TRAPP", Nr. 399 30 885.7 "STOKKE" sowie der Gemeinschaftsmarke Nr. 002 536 498 "TRIP TRAP".
Die Beklagte betreibt die Website www.. de. Auf dieser Internetseite bietet die Beklagte Internetnutzern eine Plattform, auf der Privatleute und gewerblich Handelnde Waren und Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten können.
Auf der Internetplattform boten Mitglieder der Beklagten unter Verwendung der Klagemarken Kinderhochstühle an, die nicht von der Klägerin stammten, oder warben für die Fremdfabrikate mit den Formulierungen "wie Stokke", "wie Tripp Trapp", "wie Trip Trap", "ähnlich Stokke", "ähnlich Tripp Trapp" oder "ähnlich Trip Trap".
Die Klägerin beanstandete eine Vielzahl derartiger Angebote als rechtsverletzend und mahnte die Beklagte ab. Sie ist der Ansicht, die Beklagte hafte für die von ihren Mitgliedern unterbreiteten Angebote, die die Klagmarken verletzten und wettbewerbswidrig seien, als Täterin, jedenfalls aber als Gehilfin oder als Störerin. Ihr sei es möglich und auch zumutbar, das Einstellen rechtsverletzender Angebote proaktiv durch den Einsatz von Filtersoftware, u.a. von Bilderkennungssoftware, sowie durch eine manuelle Nachkontrolle zuvor herausgefilterter Angebote zu verhindern.
Das LG hat die Beklagte im Umfang der in erster Instanz gestellten Unterlassungsanträge zur Unterlassung verurteilt und die wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung auf Unterlassung gerichtete Widerklage abgewiesen. Auf das Urteil des LG vom 24.8.2006 wird wegen der tatsächlichen Feststellungen und der dortigen Anträge Bezug genommen...